Literatur
ist auch ein Substrat emotionaler Inhalte und
Vorstellungen vom anderen Volk und Zugleich
Ausdruck der jeweiligen politischen Tendenzen und
Ziele. Sie ist Zeugnis für bestehendes Interesse
an den Kultur- und Lebensrealien des jeweiligen
Volkes, sie ist aber auch ein subtiles Barometer
für politische Stimmungen und ethische
Wertungen. Im Bild vom anderen Volk spiegeln sich
Ziele und Einstellungen einzelner Autoren; im
staatlich gelenkten Literaturbetrieb tritt dieses
vom Individuellen geprägte Bild hinter die
Interessen der gesellschaftlichen Institutionen
zurück. Im sozialistischen Literaturbetrieb
kommen im Deutschland- und Russlandbild nahezu
ausschließlich staatliche Interessen zum
Ausdruck. Deutschland und Russland bzw. die
Sowjetunion bilden v.a. in Folge der Kriegs- und
Nachkriegsereignisse ein zentrales Thema in der
polnischen Literatur nach 1945. Bedingt durch die
jeweilige politische Konstellation wurde dieses
Bild von traditionellen, aber auch neu
entstandenen mehr oder weniger stereotypen
Vorstellungen beeinflußt. Bis zur Wende
spiegelte sich im Deutschlandbild die politische
Teilung mit den ihr inhärenten ideologischen
Implikationen.
Traditionell oszilliert das Geschichtsbewußtsein
Polens zwischen den Machtblöcken Deutschland und
Russland bzw. Sowjetunion.
Das Bild von Deutschland und Russland bzw. der
Sowjetunion spiegelt in einem sehr hohen Maße
die unterschiedlichen politischen und
ideologischen Entwicklungen Polens nach 1945.
Das hier geplante Forschungsvorhaben möchte
einerseits die Grundzüge des Deutschland- und
Russlandbildes aufzeigen, andererseits die
Funktion und die Instrumentalisierung dieses
Bildes durch staatliche und kulturpolitische
Interessen ausleuchten. Das aus ideologischen
Motiven manipulierte Deutschlandbild erhält
seine besonderen Konturen in Anbetracht der
Tatsache, dass besonders in den 50er und 60er
Jahren eine grundsätzlich positive und eine
ausgesprochen negative Variante gegenüberstehen,
die der DDR und die der Bundesrepublik
Deutschland. Einer kritischen Betrachtung
bedürfen auch die in Polen von 1945 bis 1990
publizierten Untersuchungen zum Deutschland- und
Russlandbild, denn auch sie waren den
ideologischen Zwängen unterworfen. Außer der
Prosa soll auch versucht werden, die angewandten
poetischen Verfahren in der Lyrik und im Drama
bei der Präsentation des Deutschland- und
Russlandbildes auszuleuchten. Grundsätzlich wird
das Forschungsinteresse Texten gelten, in denen
innerhalb der gesellschaftlichen Funktion die
Wertungsfunktion dominant ist. Neben den
Grundzügen, die das Deutschland- und
Russlandbild prägen sollen die politische und
ideologische Motivation sowie der instrumentale
Status der kolportierten Stereotypen erschlossen
werden. Die anzuwendenden methodologischen
Verfahren werden in Zusammenarbeit mit dem
Institut für Deutschlandkunde an der
Universität £ód¼ präzisiert.
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