EU-Member Turkey? Preconditions, Consequences and Integration Alternatives
Project 2.I.1: Reformen und Interessen einer erweiterten EU: die fiskalischen Folgen der Osterweiterung
Autoren Wolfgang Quaisser, Steve Wood
ISBN 3-9809264-9-4

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Conclusion in German (about 10 pages)

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Preface

This study was completed within the framework of the project "Reforms and Interests in an Enlarged Union", which is part of the second phase of the interdisciplinary Research Group Eastern Europe (forost). This is financed by the Bavarian Ministry for Science, Research and Art and concerns itself with issues of EU enlargement. In total thirty nine research initiatives at four Bavarian universities and two research institutes have been or are supported. The central focus of the project "Reforms and Interests in an Enlarged Union" is on the varying and comparative interests of individual European states in an enlarged EU, in particular the intensified distribution conflicts.

The last enlargement round changed the character of the Union from a club of relatively rich states to a heterogeneous group of states with an increased weighting of poorer countries. Distribution conflicts over tighter financial resources will intensify. Because the EU has not yet reached its final extended configuration, and almost only "poor relations" still stand before the door, questions of interest equalisation and institutional encumbrance take on ever more critical importance.

A possible EU accession of Turkey does not stand at the centre of the "Reforms and Interests" project, however it already radiates a powerful influence on the present discussion within the Union and on its current enlargement phase. The issue of costs for additional enlargement rounds is not only of great interest because of its topicality. This already overshadows the 2004 enlargement and the positioning of individual states regarding the reshaping of EU institutions.

It also influences disputes over decision-making processes, fiscal distribution conflicts, and connected reforms in the most expenditure-rich policy areas. These are also key themes in the broader project. It is clear that the EU is at a crossroads: the means, approach and speed of future enlargement have become strategic questions on the future configuration of the Union – and of Europe.

(Munich, November 2004)

Hermann Clement

Contents

Preface (3)

Summary and Conclusions (7)

1. Introduction: The Debate on Turkey's EU Membership Intensifies (15)

2. Ever "closer" or ever "wider" Europe? (15)

2.1. Challenges of Economic Integration: Important integration projects must be advanced (16)

2.2. Political Implications and Challenges: Europe as political construction site (16)

3. The Commencement of EU-Entry Negotiations with Turkey is a Political Decision (18)

4. Economic Backwardness and Convergence: Decades are Needed (23)

5. Economic Criteria will not Delay Negotiations but will Delay Turkey's EU Entry (25)

5.1. The functioning of Turkey's distorted market economy is improving (25)

5.2. The "competitiveness" criterion is harder to achieve (30)

6. Consequences of a EU Membership for Turkey (35)

7. Political-strategic Arguments in favour of Turkey's Accession to the EU are not Entirely Convincing (40)

8. Membership for Turkey would have Far-reaching Implications for the EU (42)

9. From "Privileged Partnership" to "Extended Associate Membership" (50)

9.1. The Rapid Commencement of Entry Negotiations is Risky (50)

9.2. "Privileged Partnership" and "Extended Associated Membership" as a Integration Alternatives (52)

9.3. EAM Should Provide for Partial Integration in EU Political Structures and Cohesion Policy (52)

9.4. Integration Alternatives Remain Topical (56)

9.5. Consolidation Before Enlargement (56)

List of abbreviations (59)

Literature (60)



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Zusammenfassung (deutsch)

Schlussfolgerungen der Studie "EU-Member Turkey? - Preconditions, Consequences and Integration Alternatives" des Osteuropa-Instituts, München

"EU-Mitgliedschaft für die Türkei" - das ist ein strategisch-außenpolitisches Projekt. Durch dieses wird das Ziel einer "politischen Union" endgültig zugunsten der undeutlichen Vision einer "globalen Macht Europa" aufgegeben. Tritt eine solche Entwicklung ein, so degeneriert die Europäische Union möglicherweise zu den "Europäischen Vereinten Nationen" oder zu einer gehobenen Freihandelszone, in deren Rahmen die zwischenstaatliche Koordination wächst und sich Integrationskerne, die je nach nationalen Interessen variieren, bilden. Nicht mehr, sondern weniger Sicherheit in Europa könnte eine der Konsequenzen sein. Aus Gründen der Selbsterhaltung sollte die EU zunächst ihre eigene Konsolidierung verfolgen, wobei zusätzliche Erweiterungen lediglich stufenweise und unter Bedingungen in Angriff genommen werden sollten, sowie Alternativen zu einer Vollmitgliedschaft für strategische Partner entwickeln.

Bevor die Verhandlungen über eine EU-Mitgliedschaft beginnen können, muss die Türkei wie jeder andere Kandidat die politischen Kriterien erfüllen, die im Jahre 1993 in Kopenhagen festgelegt wurden (im folgenden als die "Kopenhagener Kriterien" bezeichnet). Bevor der Beitritt erfolgen kann, gibt es auch wirtschaftliche Vorbedingungen: eine funktionierende Marktwirtschaft und die Fähigkeit, dem Wettbewerb standzuhalten. Es wird viele Jahre dauern, bevor die Türkei das Wettbewerbskriterium erfüllen kann. Was das Gesamtniveau ihrer wirtschaftlichen Entwicklung betrifft, so ist die Türkei mit Bulgarien und Rumänien vergleichbar. Die spezifischen Probleme sind freilich anders gelagert, und die Situation verschärft sich durch regionale Ungleichheiten, die größer sind als irgendwo sonst in der EU.

Die politischen Kriterien könnten ein noch größeres Hindernis darstellen. Während die Regierung der AKP (der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung) ihren Schwerpunkt auf das Ziel einer EU-Mitgliedschaft legt und sich anscheinend auf den Reformkurs festgelegt hat, der zum Erreichen dieses Ziels notwendig ist, wird sich die politische Kultur der Türkei nicht über Nacht wandeln. Es bestehen auch weiterhin de facto Unzulänglichkeiten in den Bereichen Politik, Bürgerrechte, Justiz und individuelle Freiheiten. Fortschritte in der Rechtslage, so wichtig sie auch sind - zuletzt die Reform des Strafgesetzbuches -, können dies doch nicht mit einem Mal ändern.

Welches auch immer die wahrgenommenen strategischen Notwendigkeiten einer weiteren Einbindung der Türkei in die westliche demokratische Gemeinschaft sein mögen, würde die EU doch ihren eigenen Regeln und Grundsätzen zuwiderhandeln, wenn eine politische Beurteilung durch die Europäische Kommission (im folgenden als die "Kommission" bezeichnet) und/oder den EU-Rat eine Aufnahme von Verhandlungen ermöglichen würde, bevor die Anforderungen erfüllt sind. Ungeachtet dieser formellen Beschränkungen ist es wahrscheinlich, dass sich die Staats- und Regierungschefs der EU auf der Grundlage der Empfehlung der Kommission, einer verstärkten Berücksichtigung der türkischen Anstrengungen und mächtiger außenpolitischer Einflüsse dazu entscheiden werden, Beitrittsverhandlungen aufzunehmen. Da kein EU-Staat bzw. -Organ über eine Verwässerung der gemeinschaftlichen demokratischen Grundsätze hinwegsehen könnte, kann man mit einem sich lange hinziehenden Verfahren rechnen. Die größere sozioökonomische Ungleichheit zwischen der Türkei und der EU der 15 wird einen längeren Verhandlungszeitraum erforderlich machen als mit den Staaten Mittel- und Osteuropas ("MOE-Länder"). Die Kommission hat signalisiert, dass es sich hierbei um einen offenen Prozess handeln wird, mit einem Ergebnis, das sich nicht vorab bestimmen lasse.

Die EU muss sich auch ernsthaft Gedanken darüber machen, ob eine frühere Aufnahme der Türkei nicht zu einer Überdehnung der EU-Integrationsfähigkeit führen würde. Dies gilt insbesondere angesichts des Umstands, dass sie sich bereits unter großem Druck befindet, erfolgreich die Osterweiterung zu bewältigen und mehrere weitere wichtige Projekte abzuschließen. Falls notwendige Reformen oder der EU-Verfassungsvertrag nicht zustande kommen oder die Türkei selbst auf Grund von Problemen, die aus der Übernahme von EU-Rechtsvorschriften entstehen, andere Prioritäten setzt, ist eine strategische Partnerschaft eine vernünftige Alternative. Diese könnte in Form eines langfristigen Konzepts - einer "Erweiterten Assoziierten Mitgliedschaft" - für ausgewählte strategische Partner der EU entwickelt werden.

Die Ergebnisse sind im folgenden in Einzelabschnitten aufgeführt:

Die EU in einer kritischen Entwicklungsphase

1. Die Osterweiterung ist eine Belastungsprobe für die EU: Die geplante Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei findet zu einem kritischen Zeitpunkt in der Entwicklung der EU statt. Die Erweiterung um zehn neue Mitglieder bedeutet, dass die Fortsetzung der notwendigen politischen und wirtschaftlichen Vertiefung zu einer noch schwierigeren Aufgabe wird. Im Bereich der wirtschaftlichen Integration zeigen Binnenmarkt und Währungsunion beträchtliche Fortschritte. Beide Projekte müssen jedoch konsolidiert und vervollständigt werden. Der Lissabon-Prozess, mit dessen Hilfe Europa anstrebt, zur innovativsten Volkswirtschaft der Welt zu werden, hat die erwarteten Ergebnisse nicht zustande gebracht. Europa ist unzureichend darauf vorbereitet, die Probleme von Erweiterung und Reformen zu bewältigen. Der Verfassungsvertrag ist zwar ein bedeutender Schritt hin zur Stärkung der Handlungsfähigkeit der EU, reicht jedoch nicht aus zur Bewältigung der internen und außenpolitischen Aufgaben einer Union mit mindestens 28 und möglicherweise 30 Mitgliedern. Falls der Vertrag nicht zustande kommt und weitere wirtschaftliche und politische Reformen vernachlässigt werden, erwächst die Gefahr einer anhaltenden Integrationskrise und sogar einer Desintegration der EU mit unvorhersehbaren Konsequenzen für die politische Stabilität Europas. Eine EU-Mitgliedschaft für die Türkei wäre dann nicht möglich.

Die Erfüllung der politischen und wirtschaftlichen Kriterien durch die Türkei

2. Es bestehen Zweifel, ob die Türkei die politischen Kriterien erfüllt hat: In ihrem Fortschrittsbericht 2004 vermerkte die Kommission die beträchtlichen Fortschritte, welche die Türkei in den Bereichen Demokratie und Menschenrechte gemacht habe. Gleichwohl bestanden erhebliche Defizite in der praktischen Umsetzung. Beschuldigungen, es würde systematisch gefoltert, von Brüssel nicht bestätigt, aber durch andere unabhängige Quellen erhärtet, haben tiefe Besorgnis in Europa ausgelöst. Allerdings gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass die Türkei die politischen Kriterien erfüllt und dass die Verhandlungen beginnen können. Auf der Grundlage des Berichts selbst (Kommission 2004a) [Dokumente der Kommission sind in der Bibliographie unter "Europäische Kommission" aufgeführt] könnte man ohne weiteres zu dem Schluss gelangen, dass die Kriterien im Alltagsleben nicht ausreichend umgesetzt werden. Vielmehr haben die Reformdynamik und die Hoffnung auf ihre Fortsetzung eine positive Beurteilung beeinflusst. Zur Zeit ist davon auszugehen, dass der Europäische Rat mit einigen Vorbehalten und einer Betonung der Notwendigkeit dauerhafter demokratischer Reformen einer Aufnahme von Verhandlungen zustimmen wird. Außen- und sicherheitspolitische Erwägungen sind möglicherweise der entscheidende Faktor. Der Verhandlungsprozess würde dann nicht beschleunigt, sondern in die Länge gezogen. Es könnte ein von Bedingungen abhängiges Verfahren angewandt werden, mit Unterbrechungen, falls Verstöße gegen Menschen- und demokratische Rechte beobachtet werden. Darüber hinaus müssen bestimmte Kapitel des acquis communautaire auch in der Praxis umgesetzt werden, bevor die Verhandlungen in den damit zusammenhängenden Bereichen fortgesetzt werden. Dies könnte Spannungen mit der Türkei verursachen, falls dadurch der Eindruck einer vorsätzlichen Verzögerungsstrategie entsteht.

3. Die Türkei ist dabei, glaubwürdige wirtschaftliche Reformen durchzuführen, die auch weitreichende politische Auswirkungen haben. Es wirkt sich für die Türkei vorteilhaft aus, dass sie im Gegensatz zu den neuen EU-Mitgliedern aus Mittel- und Osteuropa nicht ihr gesamtes Wirtschaftssystem ändern muss. Vielmehr sind die Grundstrukturen einer Marktwirtschaft gesichert. Allerdings wird die Funktion des Marktes gestört durch einen starken Einfluss des Staates sowie wiederkehrende interne und externe Ungleichgewichte (hohe Verschuldung und Inflation). Daraus folgten periodische Krisen und Wachstumsschwächen (in letzter Zeit 1999 und 2001) mit hohen wirtschaftlichen und sozialen Kosten. Seit 2001 wurden erfolgreiche Stabilisierungsmaßnahmen ergriffen. Zum ersten Mal hat man damit ernsthaft die strukturellen Ursachen von Haushaltsdefiziten (Bankensystem, staatliche Unternehmen, öffentlicher Sektor, Gesellschaftssystem, land-wirtschaftliche Subventionen) in Angriff genommen und dadurch die Grundlagen für ein nachhaltiges Wachstum geschaffen. Die Reformen haben weitreichende sozialpolitische Konsequenzen, da sie sich auf das herkömmliche politische System aus Populismus und/oder Klientelwesen auswirken.

4. Die Eignung für den Beitritt wird im Bereich der Wirtschaft an der Fähigkeit der Türkei gemessen, ein überdurchschnittliches nachhaltiges Wachstum zu erzielen. Die ersten Ergebnisse der türkischen Wirtschaftsreformen sind positiv. Nach der tiefen Krise von 2001 ist die Volkswirtschaft auf den Wachstumspfad zurückgekehrt (2003: beinahe 6%; Prognose für 2005: 5%); die Inflation hat sich verringert (Prognose 2004: 12%; Prognose 2005: 8%); die Währung hat sich stabilisiert und die Verschuldungsindikatoren haben sich verbessert. Es lässt sich noch nicht feststellen, ob dies der Anfang eines nachhaltigen mittel- und langfristigen Wachstumspfades ist. Festzuhalten ist allerdings, dass der Weg der Reformen lang ist. Während die Türkei große Fortschritte bei der Reform des Bankensystems erzielt hat, stecken die Privatisierung und die Reform des öffentlichen Sektors und der Sozialleistungssysteme noch in den Kinderschuhen. Der Anpassungsdruck ist hoch; und während des Beitrittsverfahrens wird die Türkei mit wesentlichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Problemen zu kämpfen haben (regionale Ungleichheiten, Armut, Bildungsdefizite, Binnenmigration, Unzulänglichkeiten der Infrastruktur). Besonders besorgniserregend sind die im Vergleich zu Ländern einer ähnlichen Entwicklungsstufe ungünstigen Ausbildungsindikatoren, zusammen mit einer hohen Jugendarbeitslosigkeit.

5. Die Erfüllung der wirtschaftlichen Kriterien wird viele Jahre in Anspruch nehmen: Im Hinblick auf die wirtschaftlichen Kriterien steht die Türkei in vielen Bereichen nur unwesentlich schlechter da als Bulgarien und Rumänien. Wird der Reformprozess konsequent verfolgt, so wird es innerhalb von zehn Jahren keine schwerwiegenden Hindernisse mehr für eine Aufnahme in die EU geben. Dabei wird unterstellt, dass keine weiteren makroökonomischen Krisen den Erholungsprozess zunichte machen. Wir teilen keine überoptimistischen Wachstumsprognosen, und zwar wegen der großen Unsicherheit im Hinblick auf bedeutende politikbedingte Wachstumsfaktoren. Wir unterstellen eine Wachstumsdifferenz von 3 Prozentpunkten beim Pro-Kopf-BIP in KKS (Kaufkraftstandards) zwischen der Türkei und der EU-15, welche höher liegt als die zu den zehn neuen Mitgliedstaaten. Selbst bei einer solch positiven Wirtschaftsentwicklung wird eine gewaltige Lücke zwischen der Türkei und der gegenwärtigen EU bleiben. Ein besonderes Problem für die Türkei sind ihre enormen regionalen Ungleichheiten. Den östlichen Teil des Landes kann man mit einem "Entwicklungsland" vergleichen. Diese wirtschaftlichen Überlegungen werden erhebliche Auswirkungen auf den Inhalt von Verhandlungen haben (Forderungen nach Übergangszeiträumen), auf die zeitliche Ausgestaltung (Verzögerungstaktik) und auf die Modalitäten (Sonderregeln für die Einbeziehung in die Gemeinschaftspolitik).

6. Die hier relevanten Indikatoren deuten darauf hin, dass es für die EU einfacher wäre, Mexiko zu integrieren als die Türkei: Bulgarien und Rumänien sind falsche Referenzländer für die Bereitschaft, der EU beizutreten: Von der Bevölkerungsgröße her ist die Türkei den zehn neuen Mitgliedstaaten zusammengenommen vergleichbar; sie erwirtschaftet jedoch ungefähr die Hälfte von deren BIP. In vielerlei Hinsicht ist die Türkei nicht um soviel anders als Bulgarien und Rumänien, insbesondere was ihre bedeutenden wirtschaftlichen Regionen betrifft. Allerdings schlagen sich die niedrigeren Bildungsstandards in der Einstufung im Human Development Index (Index für den menschlichen Entwicklungsstand, "HDI") nieder, wo die Türkei auf Position 88 in etwa mit Turkmenistan und Paraguay auf einer Stufe steht. Gleichzeitig stufte das World Economic Forum (Weltwirtschaftsforum, "WEF") die Türkei ähnlich wie Bulgarien und Rumänien ein, und in einigen Bereichen besser. Diese Bewertung besagt nichts über die gewaltigen Herausforderungen, welche eine EU-Mitgliedschaft für all diese Länder darstellt. Ein internationaler Vergleich könnte die Einzigartigkeit dieses gewagten Unternehmens verdeutlichen: Bei den meisten relevanten Indikatoren (darunter auch Einkommensunterschiede) schneidet Mexiko viel besser ab als die Türkei. Gleichwohl erwägt niemand ernsthaft eine vollständige Integration (insbesondere im Hinblick auf den Arbeitsmarkt) Mexikos in die Vereinigten Staaten. Die ähnliche Einstufung von Bulgarien und Rumänien im Vergleich zur Türkei soll nicht bedeuten, dass Ankara bald in der Lage sein wird, der Europäischen Union beizutreten. Es werden viele acquis-bezogene institutionelle und politische Änderungen notwendig sein, die im HDI und im Weltindex für die Wettbewerbsfähigkeit nicht zum Ausdruck kommen. Die entscheidende Frage ist hier, ob Bulgarien und Rumänien tatsächlich der richtige Maßstab für die EU-Mitgliedschaft sind. Sollten sie als Maßstab betrachtet werden, wären wir Zeuge einer Erosion von EU-Standards, die durch die Erweiterungen verursacht wird. Dies könnte sich negativ auf das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts und vieler anderer Bestandteile der europäischen Einigungswerks auswirken. Zusätzlich dazu ist die EU nicht richtig darauf vorbereitet, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen einer Integration von Ländern mit niedrigen bis mittleren Einkommen zu bewältigen.

Vorteile und Kosten eines EU-Beitritts für die Türkei

7. Ist die EU-Mitgliedschaft eine rationale Entscheidung für die Türkei? Aus der Perspektive eines Beitrittslandes ist es politisch rational, die Beeinflussung von Entscheidungen des "Clubs" anzustreben, von welchen die Beitretenden auf jeden Fall beeinflusst werden. Dies stellt eine wichtige Motivation für eine EU-Mitgliedschaft dar, die sich auch wirtschaftlich auszahlen kann. Ungeachtet ihrer vergleichsweise niedrigen Wirtschaftskraft wird die Türkei zu einem der einflussreicheren und militärisch bedeutenden EU-Länder werden. Intern nutzen unterschiedliche politische Strömungen (AKP, Oppositionsparteien, Wirtschaftseliten, Kurden, auch weniger gemäßigte Muslime) die EU als "externe Stütze" zur Durchsetzung ihrer eigenen, oft sehr verschiedenen politischen Ziele. In diesem Sinne billigt und erklärt die politische Rationalität den Einsatz des EU-gesteuerten Modernisierungsprozesses, um die jeweils eigenen Machtpositionen ausweiten zu können. Es lässt sich allerdings nicht ausschließen, dass einige radikalere islamische oder nationalistische Gruppen das EU-Beitrittsverfahren als zu restriktiv betrachten. In einer solchen Situation könnten sich die politischen Prioritäten der Türkei erneut ändern, und es würde dann eine losere Anbindung an die EU gelten. Dem kann hinzugefügt werden, dass zusammen mit rationalen Motiven für eine Mitgliedschaft auch emotionale Erwägungen eine Rolle spielen.

8. Die Türkei würde zwar wirtschaftlich profitieren, jedoch könnten umfassende strukturelle Änderungen schwerwiegende Probleme verursachen: Für die Türkei sind wirtschaftlich rationale Gründe für den Beitritt die möglichen Wachstums- und sozialstaatlichen Auswirkungen zusammen mit finanziellen Transferleistungen, die sich aus einer EU-Mitgliedschaft ergeben würden. Da Handelsschranken größtenteils bereits mit Hilfe der Zollunion beseitigt wurden, werden die wirtschaftlichen Auswirkungen begrenzt sein (langfristig nicht mehr als 5% des BIP). Diese könnten stärker sein (vielleicht ungefähr 10%), wenn dynamische Effekte, insbesondere Investitionen externer Herkunft, auftreten. Eine EU-Perspektive, wie auch immer definiert, würde zu der erhöhten politischen Stabilität beitragen, welche diese Art von Entwicklung fördern würde. Die Reformfähigkeit und Solidität der türkischen Wirtschaftspolitik wird gleichwohl entscheidend sein. Sogar mit Wachstumsraten (5%), die deutlich über denen der EU liegen, wird die Türkei ungefähr vier Jahrzehnte brauchen, um 75% des Einkommensniveaus der EU-15 zu erreichen. Die Türkei wird sicherlich von den EU-Transferzahlungen profitieren, welche nach den gegenwärtigen Regeln zwischen 3% und 4% des BIP ausmachen werden.

9. Die Anwendung des acquis wird für die Türkei ein bedeutendes Problem sein und Kosten nach sich ziehen, die noch durch die Forderungen nach Strukturanpassungen erhöht werden: Kosten entstehen durch Strukturveränderungen (wie etwa höhere Arbeitslosigkeit, insbesondere in ländlichen Bereichen) sowie durch die Übernahme von Normen und Standards. Diese werden die türkischen Kleinunternehmen belasten, die für den lokalen Markt produzieren. Hinzu kommen die Sozial- und Umweltstandards, konzipiert für hochentwickelte Länder, welche sich nachteilig auf die internationale Wettbewerbsposition von Übergangsländern auswirken könnten. Andererseits werden sich mittel- und langfristig auch positive soziale Ergebnisse einstellen. Lange Übergangszeiträume werden vor der vollständigen Einführung von EU-Umweltstandards in Bereichen in Aussicht genommen, welche den Binnenmarkt nicht unmittelbar betreffen. Eine schwierige Anpassung ist auch im Hinblick auf den Binnenmarkt gewiss. Ein Beitritt zur EU-Landwirtschaftspolitik wird zwar Vorteile für türkische Verbraucher, aber Nachteile für Landwirte bedeuten. Transferzahlungen aus Brüssel können dies zwar abmildern, doch werden die Kosten für Strukturveränderungen nur zum Teil durch die Struktur- und Regionalpolitik der EU aufgefangen. Transferzahlungen werden erst nach der ersten und schwierigsten Anpassungs-phase von zehn bis fünfzehn Jahren in vollem Umfang verfügbar sein. Höhere finanzielle Unterstützung für die Zeit vor dem Beitritt wird notwendig sein. Kosten und Vorteile eines türkischen Beitritts für die EU

10. Die Auswirkungsstudie der Kommission ist zu allgemein, als dass sie als solide Grundlage zur Bewertung der Auswirkungen auf die Europäische Union dienen könnte: In der Auswirkungsstudie bzw. dem "Issues Paper" ("Sachstandsdokument", Kommission 2004b), veröffentlicht gleichzeitig mit dem regulären Bericht der Kommission, wurde der Beitritt der Türkei zur EU als beispiellos, jedoch im Hinblick auf Geostrategie und Sicherheitspolitik als vorteilhaft bewertet. Man stellt sich vor, dass die Türkei eine Stabilisierungsfunktion für die gesamte Region übernehmen könnte, auch wenn die Formulierung einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik ("GASP") gleichzeitig auf Schwierigkeiten stoßen könnte. Zusätzlich dazu werden potentielle Probleme, die mit der Kontrolle der möglichen neuen und gefährlichen Außengrenzen der EU zusammenhängen, besonders herausgestellt (organisiertes Verbrechen, Schmuggel und Terrorismus). Die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die EU werden als eher unbedeutend beurteilt und es wird von einem gewissen Anpassungsdruck ausgegangen (eine Migration von 0,4 bis 4 Millionen Menschen). Die wirtschaftlichen Auswirkungen für die Türkei werden als positiv bewertet. Im Gegensatz zu früheren Ankündigungen, darunter auch von Seiten des Erweiterungskommissars, unternahm die Kommission auch eine erste Veranschlagung der Auswirkungen auf den Haushalt (zwei Szenarien für die Nettokosten im Jahre 2025: EUR 16,5 Milliarden und EUR 27,9 Milliarden). Was die institutionellen Auswirkungen auf die EU betrifft, so ist das Dokument sehr allgemein gehalten (neue Stimmengewichtungen im Parlament und im Rat). Auswirkungen auf die Kommission sind in Anbetracht der bevorstehenden Verringerung ihrer Größe nicht zu erwarten. Die Kommission vermerkt: "Falls der Beitritt der Türkei zur EU gut gemanagt wird, würde er beiden Seiten wichtige Möglichkeiten eröffnen" (Kommission 2004b; 3). Daran gemessen, deutet die Bemerkung, dass der Prozess hinsichtlich seines Ergebnisses unsicher ist und viele Jahre dauern wird (10 bis 15), darauf hin, dass in der Kommission selbst Zweifel und "gemischte Gefühle" vorhanden waren.

11. Der Wachstumsimpuls für die EU infolge einer Mitgliedschaft der Türkei wird geringfügig sein: Aus der Perspektive der Europäischen Union ist der Beitritt eines Landes rational, wenn er die interne und externe Sicherheit erhöht und/oder den wirtschaftlichen Gesamtnutzen steigert. In Anbetracht der verhältnismäßig geringen Größe der türkischen Volkswirtschaft und des begrenzten Handelsvolumens wird eine Mitgliedschaft der Türkei nur geringfügige Auswirkungen auf das Wachstum in der gegenwärtigen EU haben. Dies bedeutet nicht, dass sich Handel und Investitionen nicht rasch zum beiderseitigen Vorteil auswirken könnten, indem ein türkischer Wachstumsprozess einsetzt. Eine solche Entwicklung ist auch möglich im Kontext des gegenwärtigen Integrationsgrades, kombiniert mit einer soliden nationalen Wirtschaftspolitik. Eine EU-Beitrittsperspektive unterstützt dies noch weiter. Allerdings ist für die Fortsetzung der türkischen Wirtschaftsreformen der Internationale Währungsfonds ("IMF") der wichtigere und geeignetere kompetente Partner.

12. Das Migrationspotential und die finanziellen Kosten werden hoch sein: Potentielle wirtschaftliche Auswirkungen werden sich nur dann wirklich entfalten, wenn einheitliche Regeln auf dieselbe Weise für sämtliche Beteiligten einer definierten wirtschaftlichen Gruppe umgesetzt werden. Große wirtschaftliche Ungleichheiten können auch in EU-Kernländern zu Anpassungskosten führen. Die Einkommenslücke würde eine bedeutende Motivation für Bevölkerungswanderungen bleiben; und mit einem hohen - wenn auch schwierig zu quantifizierenden - Migrationspotential ist zu rechnen (bis zu 4 Millionen). Langfristige Übergangszeiträume vor der Einführung einer vollständigen Bewegungsfreiheit für Personen (zusammen mit einer permanenten Schutzklausel) wären dann unvermeidlich. Die Kosten eines Beitritts der Türkei zur EU werden hoch sein: bei vollständiger politischer Integration ungefähr EUR 21 Milliarden pro Jahr (im Jahre 2014). Im Vergleich dazu veranschlagt die Kommission EUR 28 Milliarden (im Jahre 2025). Wohlfahrtseinbußen für alte und neue Mitgliedstaaten sind zu erwarten, wenn Transferleistungen an die Türkei von woanders her umgeleitet oder die Steuern erhöht werden. Es ist unwahrscheinlich, dass die EU-Mitgliedstaaten bereit wären, solche großen Summen zu zahlen. Alternativen ließen sich finden, indem man Sonderkonditionen für die Türkei formuliert, wodurch politische Spannungen mit Ankara angeheizt werden könnten. Umfassende Reformen der Landwirtschafts- und Strukturpolitik wären die andere Option. Sie wären allerdings in einer EU mit 27 oder mehr Mitgliedern sehr schwierig umzusetzen.

13. Politisch-strategische Argumente dominieren: Häufig wird versichert, dass Beitrittsverhandlungen positive Auswirkungen auf die europäische Sicherheit, auf den türkischen Reformprozess und auf die islamische Welt haben würden (als Gegenmodell zum fundamentalistischen Islam). Die Perspektive einer EU-Mitgliedschaft unterstützt mit Sicherheit den internen Reformprozess. Man würde freilich eine kühne These aufstellen, wollte man argumentieren, dass Erfolg oder Fehlschlag des letzteren vom ersteren abhängig seien. Ein solches Argument würde noch weiter geschwächt durch die tatsächliche Fortsetzung von Reformen unabhängig von der EU-Entscheidung, weil diese Reformen, wie türkische Quellen zunehmend unterstreichen, im Interesse der Türkei sind. Der eher fragwürdige Status des Landes im arabischen Mittleren Osten sowie die gespannten Beziehungen mit vielen seiner Nachbarn bedeuten, dass jedwede Vorstellung, die Türkei könne als eine Art Vorbild dienen, dem andere islamische Staaten nacheifern sollten, gegenwärtig kaum zu unterstützen ist (intellektuell, wenn nicht gar politisch). Darüber hinaus könnte eine europäische Perspektive für die Türkei auch ohne eine notwendige volle EU-Mitgliedschaft entwickelt werden.

14. Eine Mitglied der Türkei wird weitreichende Konsequenzen für die EU haben: Durch den Eintritt der MOE-Länder hat sich die EU bereits von einer Vereinigung hauptsächlich reicher Industrieländer zu einem heterogenen Club mit einer großen Anzahl von Übergangsländern verändert. Die Bereiche Wirtschaftspolitik (insbesondere Wettbewerbspolitik) und Währungspolitik sehen sich deshalb schwierigen Herausforderungen gegenüber, ihren inneren Zusammenhang zu bewahren und sich genau auf Ziele zu konzentrieren. Dies wirk sich auf die Durchsetzung der Bestimmungen für den Binnenmarkt sowie auf Koordinationsaufgaben aus. Während die Kern-Industrieländer gezwungen sind, ihre Wettbewerbsfähigkeit bei den Hochtechnologien (vgl. Lissabon-Agenda) auf internationaler Ebene zu sichern und auszubauen, müssen die Kohäsionsländer zunächst einmal einen erfolgreichen Konvergenzprozess in Gang setzen. Zusätzlich dazu wird die Frage gestellt, ob es in einem derart heterogenen Wirtschaftsraum vernünftig ist, dass sich alle an eine gemeinschaftliche Währungspolitik halten. Die Bewegung hin zu einer Währungsunion sollte mit Vorsicht erfolgen; und der Beitritt zum Euro-Raum sollte eine Wahlmöglichkeit bleiben.

15. Das Thema der kulturellen Unterschiede sollte einen Beitritt grundsätzlich nicht ausschließen, obwohl dieser von der Zustimmung der europäischen Bürgerschaft abhängig sein sollte: Eine EU-Mitgliedschaft der Türkei hat eine politisch-kulturelle Dimension, die von weitreichender Bedeutung für beide Seiten ist. Man kann nicht a priori entscheiden, ob vor dem Hintergrund einer größtenteils islamischen Gesellschaft und eines Staates, dessen säkularer Charakter durch das Militär garantiert wird, europäische Werte in der Türkei verankert und aufrechterhalten werden können. Wenn sie aufrechterhalten werden können, dann hätte dies mit Sicherheit eine bedeutende Vorbildfunktion. Geschieht dies nicht, dann würde eine kulturell motivierte Gegenreaktion enorme Probleme für die EU verursachen. Es würde die Anwendung umfassender Sanktionsmechanismen erfordern, Grundwerte durchzusetzen. Für die EU als Union von Bürgern ist eine Mitgliedschaft der Türkei auch eine Angelegenheit der Identität. Europäische Staatsbürger sollten die Frage beantworten, ob die kulturellen und/oder geographischen Grenzen Europas überwunden sind. Ein Eintritt der Türkei wäre gerechtfertigt, wenn sie ein deutliches positives Votum abgeben würden. Sie würden dann auch bereit sein, innerhalb des Rahmens der Gemeinschaft die notwendige Solidarität aufzubringen.

Das Verhandlungskonzept der EU sowie alternative Integrationskonzepte

16. Der Verhandlungsprozess wird (vorsätzlich) hinausgezögert, und auf Ankara könnte eine Mitgliedschaft zweiter Klasse zukommen: Die Ungewissheiten eines künftigen Beitrittsverfahrens haben den Vorschlag der Kommission für einen bedingten (erheblich eingeschränkten) Verhandlungsprozess mit der Türkei beeinflusst. Die tatsächliche Umsetzung einiger acquis-Bereiche wird eine Voraussetzung für die Fortsetzung von Verhandlungen in anderen damit verbundenen Bereichen sein. Für die EU ist eine derartige Strategie eine Form des Selbstschutzes. Dadurch wird sich der Prozess über zehn bis fünfzehn Jahre hinziehen. Diese Strategie ist nicht ohne Risiko, da sie Frustration erzeugen und zu politischen Konflikten mit der Türkei führen könnte. Andererseits würde der Zeitgewinn der Türkei und der EU einen Spielraum zur Durchsetzung notwendiger Reformen verschaffen. Ein hohes Migrationspotential bedeutet, das ein vollständig freier Zugang für Personen auf jeden Fall viele Jahre lang ausgeschlossen bleibt. Darüber hinaus würde die EU danach trachten, ihr Ausgabenprogramm in vollem Umfang auf die Türkei auszuweiten. Ankara ist von einer Mitgliedschaft zweiter Klasse bedroht.

17. Wenn Europa als "Stabilitätsanker" für die Türkei fungiert, so macht das nicht deren volle EU-Mitgliedschaft notwendig; diese könnte auch mittels einer "Privilegierten Partnerschaft" oder einer Erweiterten Assoziierten Mitgliedschaft organisiert werden: Die Türkei erfährt starke Unterstützung von internationalen Organisationen (IWF, OECD, Weltbank), welche bereits als "externe Stützen" wirken, die den internen Reformprozess in der Balance halten. Es ist allerdings fraglich, ob die EU die Funktion einer "externe Stütze" über 15 oder vielleicht mehr Jahre auf glaubwürdige Weise aufrechterhalten könnte, also über die Zeitspanne, die man für einen Beitritt der Türkei in Aussicht genommen hat. In Anbetracht eingegangener Verpflichtungen und außenpolitischer Erwägungen ist es zur Zeit nicht wahrscheinlich, dass Alternativen zur Integration offiziell angeboten bzw. akzeptiert werden. Gleichwohl könnten durch EU-interne Faktoren (Ablehnung eines türkischen Beitritts durch die Regierung oder die Wähler eines Mitgliedstaates, oder auch Reformunfähigkeit) oder Ungewissheiten auf türkischer Seite (mögliche Rückschritte im Reformprozess) ein Anstoß zu Neubewertungen gegeben werden. Es ist daher vernünftig, präziser formulierte Ideen für Alternativen zu bedenken. Das in der vorliegenden Studie erläuterte Konzept einer Erweiterten Assoziierten Mitgliedschaft (EAM) geht über das einer Privilegierten Partnerschaft hinaus. Die EAM stellt eine dauerhafte und klar definierte Perspektive für die Türkei und andere EU-Aspiranten dar, welche zusätzlich zur wirtschaftlichen Integration (Europäischer Wirtschaftsraum - EWR) auch Formen der politischen Integration (Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Rates) sowie einen substantielleren finanziellen Vorteil durch eine individuell zugeschnittene Beteiligung an verschiedenen EU-Programmen in Aussicht stellt.

18. Falls die Verhandlungen aufgenommen werden, könnten sie sehr wohl auf eine "Privilegierte Partnerschaft" hinauslaufen: Sollte ein Verhandlungsprozess beginnen, so wird er vielen Ungewissheiten ausgesetzt sein. Falls der Verfassungsvertrag nicht zustande kommt, wird dies in der Praxis das vorläufige Ende für die Perspektive einer Vollmitgliedschaft für die Türkei signalisieren. Dasselbe wäre wahrscheinlich, wenn die Reformen in der Türkei stagnieren. Die Kommission hat zu verstehen gegeben, dass die Verhandlungen, sollte dies geschehen, unverzüglich ausgesetzt werden könnten. Sie könnten im Verlauf des Ratifizierungsverfahrens oder durch Referendum in einem oder mehreren Mitgliedstaaten ausgeschlossen werden. Die Kommission scheint sich dieser möglichen Ausgänge bewusst zu sein und betont, dass "unabhängig vom Ergebnis der Verhandlungen oder des darauffolgenden Ratifizierungsverfahrens durch die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei sichergestellt werden muss, dass die Türkei vollständig in den europäischen Strukturen verankert bleibt." (Kommission 2004c; 3). Deshalb könnten die Beziehungen trotz des Beharrens einiger Regierungen von Mitgliedstaaten, die Türkei sei reif für eine volle Mitgliedschaft, und trotz der häufigen Erklärungen der Türkei, sie werde nichts Geringeres akzeptieren, letzten Endes in Form einer "Privilegierten Partnerschaft" oder "Erweiterten Assoziierten Mitgliedschaft" gestaltet werden. Die Möglichkeit von unrealistischen Erwartungen und einer damit verbundenen Enttäuschung sollte dadurch vermieden werden, dass man von vornherein festlegt, dass der Verhandlungsprozess, wenn er beginnt, im Ergebnis offen ist.

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