Der Transformationsprozess der Länder Südosteuropas ist gekennzeichnet durch eine enge Verbindung von politischer, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Umgestaltung. Dabei müssen konsensfähige Handlungsprinzipien und Wertorientierungen entwickelt werden, welche die Gesellschaften integrieren, neue Identitätsbilder stiften und zur Demokratisierung beitragen.
Diese schwer steuerbaren Transformationsprozesse bleiben ohne wissenschaftliche Analyse ihrer kulturhistorischen Grundlagen und Voraussetzungen unverständlich. Besondere Aufmerksamkeit kam während der Tagung den Entwicklungen im ehemaligen Jugoslawien und ihren Nachfolgestaaten zu. Der Jugoslawismus geriet bereits in den 1960er Jahren in eine ernsthafte Legitimationskrise, sichtbar im Mangel an gesellschaftlicher Akzeptanz in größeren Teilen der Deutungseliten. Analog dazu führte die verstärkte Föderalisierung mit regionaler Elitenbildung zur Entstehung von Teilgesellschaften auf Republiks-, bzw. auf Provinzebene. Vor dem Hintergrund dieser Krise gewinnen die kulturpolitischen Diskurse ihre eigentliche Bedeutung. Diese Diskurse traten in Konkurrenz zu dem ideologisch monopolisierten politischen Diskurs (Sundhaussen). Kultur und damit auch Sprache erhielten eine immer stärkere politische Funktion. Im leidenschaftlich ausgetragenen Sprachenstreit artikulierten sich die Brüche in der Identitätskonstruktion des Jugoslawismus.
Ziel des Kolloquiums „Sprache und Kultur in den Transformationsländern Ost- und Südosteuropas“ am 8. November 2002 war es, die aktuelle Entwicklung in Südosteuropa kritisch aufzuarbeiten. Besondere Aufmerksamkeit wurde dabei der Entfaltung gesellschaftlich-politischer Identitätskonstruktionen in Form von Nationsbildungsprozessen, sprachpolitischen und sprachideologischen Konzepten gewidmet.
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