Projekt F04
Opportunismus als Beziehungsrisiko in transnationalen Unternehmen
Fragestellung: Wenn sich Unternehmen vernetzen, um ihre Ziele gemeinsam besser zu erreichen, dann profitieren davon im Idealfall alle Partner in gleichem Maße. Allerdings besteht die Gefahr, dass einer der Partner das Vertrauen eines anderen ausnutzt. Etwa indem er ihm Informationen vorenthält, Absprachen nicht beachtet oder sogar Verträge bricht. Ein solches Verhalten wird in der Fachsprache Opportunismus genannt. Ein Beispiel: Der Hersteller von Hartgummireifen X vereinbart mit dem Unternehmen Y, das Sackkarren produziert, diesem fristgerecht 5000 Paar Reifen zu liefern. Tatsächlich fehlen dem Hersteller X die Kapazitäten, eine solche Menge an Reifen in der vereinbarten Frist zu produzieren. Um sich aber den Gewinn zu sichern, hat er dem Unternehmen Y dennoch zugesagt, obwohl er bereits wusste, dass er die Vereinbarung nicht würde einhalten können.

Die Forschung ist nun darum bemüht, Bedingungen ausfindig zu machen, die dieses Phänomen begünstigen. Die Erkenntnisse sind für die Praxis von unmittelbarem Nutzen. Nur wer weiß, welche Umstände opportunistisches Verhalten fördern, hat die Möglichkeit, solchen Tendenzen entgegenzuwirken.

Unternehmensnetzwerke, die sich über verschiedene Nationen oder sogar Kontinente erstrecken, sind vermutlich besonders anfällig für opportunistisches Verhalten. Dafür sprechen unter anderem folgende Gründe:

Kulturell sehr verschiedene Partner fühlen sich den jeweiligen Partnerunternehmen unter Umständen weniger verpflichtet.
Die geographische Distanz zwischen den Netzwerkunternehmen erschwert den Aufbau von persönlichen Beziehungen und die Kontrolle der Netzwerkpartner.
In überschaubaren Märkten müssen sich Unternehmen stets um ihren guten Ruf sorgen. Im globalen Wettbewerb dagegen ist aufgrund der noch fehlenden Transparenz die Wahrscheinlichkeit geringer, dass einem der schlechte Ruf vorauseilt.
Die Durchsetzung vertraglicher Ansprüche ist auch aufgrund unterschiedlicher Rechtssysteme zeitaufwendiger, kostspieliger und erfolgsunsicherer.

Es hat somit Sinn, das Opportunismusrisiko in internationalen Netzwerkbeziehungen genauer unter die Lupe zu nehmen. Dieser Aufgabe widmet sich unser Teilprojekt und analysiert Unternehmensnetzwerke zwischen deutschen und mexikanischen sowie zwischen deutschen und US-amerikanischen KMU (kleine und mittlere Unternehmen). Als Vergleichsbasis werden zusätzlich rein deutsche Unternehmensnetzwerke untersucht. Dazu werden möglichst viele Unternehmer in den Untersuchungsräumen direkt zu ihren Netzwerkbeziehungen befragt. Die Aussagen werden später genau analysiert und miteinander verglichen. So entstehen weiterführende Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen für die Wirtschaftspraxis.

Methode:
Halbstandardisierte Leitfadeninterviews mit deutschen, mexikanischen und US-amerikanischen Netzwerkpartnern.
Technik der "kritischen Ereignisse" zur Vertiefung und Erhebung zentraler Vorkommnisse im Netzwerk.
Entwicklung und Vorgabe von standardisierten Skalen zu den bei Netzwerkpartnern unterstellten Opportunismustendenzen.
Erfassung wahrgenommener Netzwerkmerkmalen über die Struktur-Lage-Technik
Anwendungsbezug: Das Forschungsprojekt sucht Ansatzpunkte für eine effektive Handhabung der Opportunismusproblematik zu überprüfen bzw. entwickeln. Der Bereich zu untersuchender Maßnahmen umfasst sowohl strukturelle, motivationale als auch relationale Ansätze. Über eine bessere Berücksichtigung der "dunklen Seite" von Netzwerken sollen Unternehmen in die Lage versetzt werden, die Chancen von transnationalen Netzwerken auch auszuschöpfen.
Team:
Prof. Dr. Torsten Kühlmann (Universität Bayreuth) >>
Philipp Schauwecker M.A. >>
Partner:
Berufliches Fortbildungszentrum der Bayerischen Wirtschaft >>
Berufliches Fortbildungszentrum der Bayerischen Wirtschaft

Weitere Literatur zum Thema:

John, G. (1984): An Empirical Investigation of Some Antecedents of Opportunism in a Marketing Channel. Journal of Marketing Research, 21, 278-289.

Wathne, K.H. & Heide, J.B. (2000): Opportunism in Interfirm Relationships: Forms, Outcomes, and Solutions. Journal of Marketing, 64, 36-51.