DialekteTrotz geringer Sprecherzahl ist das Estnische hochgradig dialektal gegliedert. Nord- und Südestnisch Die wichtigste Grenze verläuft zwischen dem Nord- und dem Südestnischen, die nach allgemeiner Ansicht ursprünglich zwei genetisch separate Zweige innerhalb des Ostseefinnischen waren (von denen das spätere Südestnisch deutlich archaischer ist) und die sich während der langen geographischen Nachbarschaft aufeinander zu entwickelt haben. Nach der Reformation hatten sich, auch bedingt durch die unterschiedlichen politischen Gegebenheiten, zwei literatursprachliche Normen herausgebildet, die sich bis zum Ende des 19. Jhs. hielten.Die Grenze zwischen den beiden Dialekten verläuft traditionell im Osten vom Peipussee (dort, wo er sich im Süden verengt) über das Nordufer des Võrtsjärv bis zur Grenze (zu Lettland an der Stelle, wo sie am weitesten nach Norden reicht) etwas weiter im Westen gezogen wird. Nordestnisch Durch die Vorherrschaft des Nordestnischen (z. B. erheblich mehr Bücher, vollständige Übersetzung der Bibel), aber auch aus politischen Gründen („Ein Volk, eine Sprache”) wurde dann das Südestnische als Schriftsprache verdrängt. Im 20. Jh. entwickelte sich die estnische Schriftsprache auf der Basis des Nordestnischen weiter und führte als Sprache der Medien und der Literatur zu einem zunehmenden Schwund der Dialektcharakteristika und zur Verwischung alter Dialektgrenzen; dazu kam die Bevölkerungsfluktuation (Tartu besaß die einzige Universität), die ebenfalls zur Nivellierung beitrug. Südestnisch Heute wird das Südestnische nur noch im südöstlichen Landesteil im Gebiet Võrumaa sowie jenseits der Grenze in Russland unter den Setukesen gesprochen, wobei die ältere Generation noch mit dieser Sprache aufwuchs, während die jüngere ihr bewusst zugeführt werden muss; in jüngster Zeit ist für diese Variante ein schriftsprachlicher Standard hergestellt worden. Weitere Mundartenaufgliederung Die beiden großen Dialektgebiete lassen sich in weitere größere Einheiten unterscheiden, die sich ihrerseits aus insgesamt 117 Mundartgebieten zusammensetzen: Im Süden Võru (das Gebiet um die gleichnamige Stadt sowie das im Südosten angrenzenden russische Gebiet), nördlich davon Tartu/Dorpat (das Gebiet um die Stadt gleichen Namens), westlich Mulgi (mit den Städten Viljandi/Fellin und Valga). Im Norden Inseldialekt (vor allem Saaremaa/Ösel und Hiiumaa/Dagö). Westdialekt In Westestland, den Inseln gegenüber bis zur lettischen Grenze im Süden, mit den Städten Hapsalu/Hapsal und Pärnu/Pernau. Zentraldialekt Das große Gebiet des Zentraldialekts schließt sich an das Gebiet des Westdialekts an.Als sprachliche Grundlage (innerhalb des Nordestnischen) in diesem Standardisierungsprozess hatte sich der Zentraldialekt, die Variante der Hauptstadt Tallinn, herausgebildet. In die Standardsprache wurden aber auch Züge anderer Dialekte übernommen, sodass eine Gleichsetzung von Standardsprache und Zentraldialekt, der sich zudem weiterentwickelt hat, heute nur sehr bedingt zutrifft. Ostdialekt An der Westküste des Peipussee. Nordöstlicher Küstendialekt Nördliches Peipusufer. Dritter Hauptdialekt Der Dialekt, auf dessen Gebiet (mit den Städten Narva, Sillamäe und Kohtla-Järve) heute überwiegend Russisch geredet wird, wird gelegentlich wegen seiner deutlichen Ähnlichkeiten mit den südfinnischen Küstendialekten als dritter Hauptdialekt klassifiziert. |