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Polnisch

Sprachperioden

Vorliterarische Epoche (8. - Mitte des 12. Jhs.)

Unterteilt sich in vorpolnische und frühpolnische Periode.

Vorpolnische Periode (8. - 10. Jh.)

Absonderung der polnischen Dialekte vom Westslawischen.

Frühpolnische Periode (10. - Mitte des 12. Jhs.)

Entstehung des polnischen Staates. Der Stammesbund der Polanen nennt sein Staatsgebilde mit der Hauptstadt Gniezno nach dem Stammesnamen Polonia.Der Beginn der Epoche ist mangels schriftlicher Belege konventionell festgesetzt, das Ende wird durch das älteste Denkmal der polnischen Sprache markiert (1136 Bulla gnieźnieńska). Durch die Christianisierung unter der Dynastie der Piasten (um 960-1138) im 10. Jh. werden die Herausbildung eines nationalen Bewusstseins und die Entwicklung einer gemeinsamen, überdialektalen polnischen Sprache gefördert.

Literarische Epoche (Mitte des 12. Jhs. - bis heute)

Unterteilt sich in vier Phasen: 1. Altpolnische Periode (12.-16. Jh.). 2. Mittelpolnische Periode (16.-18. Jh.). 3. Neupolnische Periode (18. Jh.-1945). 4. Gegenwärtige Periode (ab 1945).

Altpolnische Periode (12. - 16. Jh.)

Im 13. Jh. kommt es zu einer Art Sprachenkampf (walka o język) der polnischen Geistlichen gegen deutsche Geistliche bei der Ämterbesetzung. 1248 wird kraft eines Papsterlasses die polnische Sprache in der Kirche zugelassen.Im 14. Jh. festigt Kazimierz III. Wielki (1333-1370) das Vereinigte Königreich Polen durch Rechtskodifikation, einheitliches Münz- und Steuerwesen. 1364 Gründung der AKADEMIA KRAKOWSKA, die wesentlich zur Entfaltung der polnischen Kultur beitrug (heute UNIWERSYTET JAGIELLOŃSKI/Jagiellonische Universität). In der Zeit der Jagiellonen (1386-1572) bildet sich allmählich eine altpolnische Literatursprache heraus (M. Rej, J. Kochanowski). Die sprachliche Grundlage bilden in der altpolnischen Periode vor allem der großpolnische und der kleinpolnische Dialekt.Besonders seit dem 15. Jh. beginnt die Übersetzung aller kirchlichen Texte ins Polnische; dabei erste Vereinheitlichungsbemühungen (z. B. Vermeidung von Dialektismen). Normierung und Kultivierung einer überregionalen polnischen Verkehrssprache durch die AKADEMIA KRAKOWSKA, in der ab dem 14. Jh. Lehrer für ganz Polen geschult werden. Polnisch gewinnt an Ansehen gegenüber der Unterrichtssprache Latein.

Mittelpolnische Periode (16. -18. Jh.)

Zu Beginn der mittelpolnischen Periode spielen das sich in einer Zeit kultureller Blüte und wirtschaftlichen Aufschwungs herausbildende Bürgertum sowie die Reformation (weitere Bibelübersetzungen) eine wichtige Rolle bei der Stärkung der polnischen Sprache. Erste Druckereien drucken Bücher auf Polnisch; es kommt zu Normierungsversuchen. Die ersten Grammatiken und Wörterbücher des Polnischen aus dem 15. und 16. Jh. sind allerdings noch Lehrbücher für Ausländer, von Ausländern auf Latein verfasst. Es fehlt weiterhin an einer Instanz, die die schriftlich niedergelegten Normen als verbindlich hätte erklären können. Mittelpolnisch stellt bereits ein weitgehend einheitliches Gebilde mit überdialektalem Charakter dar, der masowische Dialekt gilt als normgebend (1596 wird Warszawa Hauptstadt Polens).Das Wahlkönigtum (1573-1795) führt zu politischer Instabilität, wirtschaftlichem und kulturellem Niedergang sowie zu religiöser und kultureller Intoleranz (Gegenreformation: Verbot zahlreicher literarischer Werke; Schließung von Druckereien). Die AKADEMIA KRAKOWSKA und das allgemeine Schulwesen geraten in eine Phase konservativer Stagnation (schwache Position des Polnischen gegenüber dem Lateinischen und Französischen).

Neupolnische Periode (18. Jh. - 1945)

Die neupolnische Periode ist politisch besonders von den drei polnischen Teilungen durch Österreich, Preußen und Russland (1772, 1793, 1795) und dem Verlust der Eigenstaatlichkeit geprägt. Erhält Restpolen nach der ersten Teilung neben einer liberalen Verfassung mit der Komisja Edukacji Narodowej (Nationale Erziehungskommission) 1773 ein fortschrittliches Bildungsministerium, das u. a. Polnisch als Unterrichtssprache, ein organisiertes Schulsystem und ein neues Schulprogramm einführt, so beginnt mit der Auflösung Polens in der dritten Teilung eine Entpolonisierung durch die russischen und preußischen Teilungsmächte.Im österreichischen Teil dagegen wird die polnische Sprache – aufgrund gewisser kultureller Autonomie – gefördert.Der Verlust der Eigenstaatlichkeit stärkt jedoch das nationale Selbstbewusstsein und das Gefühl der Zusammengehörigkeit. Angesichts der Bedrohung erkennt man verstärkt den Zusammenhang zwischen nationaler Identität und der Sprache als Träger der eigenen Tradition und spezifischen Kultur eines Volkes. Außer Lehrern (in Geheimschulen) und Geistlichen bemühen sich auch verschiedene Institutionen um die Pflege und den Schutz der polnischen Hochsprache:1814 Deputacja Ortograficzna (Ausschuss für Rechtschreibung);1817 Zakład Narodowy im. Ossolińskich (Nationale Bibliothek der Familie Ossolinski – Gesellschaft und Verlag);1800 Towarzystwo Przyjaciół Nauk (Verein der Freunde der Wissenschaften);1872 (Polska) Akademia Umiejętności ([P]AU) ([Polnische] Akademie der Wissenschaften): 1879-1901 Normierung des technischen, wissenschaftlichen und amtlichen Wortschatzes, 1918 Normierung der Rechtschreibung;1920 Towarzystwo Miłośników Języka Polskiego (Gesellschaft der Freunde der polnischen Sprache);1925 Polskie Towarzystwo Jezykoznawcze.Um die Jahrhundertwende und in des ersten Jahrzehnten des 20. Jh. entwickelt sich mit neuer Dynamik linguistische Forschung auf den polnischen Gebieten – vor allem in Krakow/Krakau und Lwow/Lemberg, wo die politische Lage am günstigsten ist. Aber auch Warszawa/Warschau kommt als einem wichtigen Standort für Kultur und Verlagswesen sowie aufgrund dort etablierter sozialpolitischer Tradition eine große Bedeutung zu.Nach der kurzen Phase der Unabhängigkeit 1918-1939 wird Polen ein weiteres Mal zwischen Deutschland und der Sowjetunion geteilt. In den Besatzungszonen wird die polnische Sprache entweder verboten (Schlesien, Pommern) oder als Teil der polnischen Kultur als minderwertig degradiert. Eine gut organisierte Untergrundbewegung kann geheime Schulen, Verlage und Verwaltungseinheiten aufrecht erhalten (1939 Tajna Organizacja Nauczycielska/Geheime Organisation der Lehrer).Die Auflösung sozialer Schichten innerhalb der Bevölkerung und starke Migrationsbewegungen im 2. Weltkrieg führen zu einer Demokratisierung und Vereinheitlichung der Sprache. 1945 wird Polen unabhängig, gerät aber unter sowjetische Kontrolle.

Gegenwärtige Periode (ab 1945)

Die gegenwärtige Periode beginnt mit einer Migrations- und Umsiedlungswelle, die den sprachlichen und kulturellen Integrationsprozess verschiedener Bevölkerungsgruppen auslöst. Die Entwicklung des Schulwesens (siebenjährige Schulpflicht), der Aufschwung der Massenmedien und die Zunahme der Leserschaft sorgen zunehmend für die Verbreitung der Hochsprache und für eine Nivellierung der Dialekte, die schon früher durch Teilung, Auswanderung, Umsiedlung und Krieg gefördert wurde. Im Sozialismus wurde die Sprache zu einem Instrument der Propaganda degradiert. Nach dem Systemwechsel 1989 sind wirkliche Kommunikation und Diskussionsfähigkeit daher oberstes Lernziel.