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Ukrainisch

Allgemeines

Die tonangebende Richtung der Sprachkultur und Sprachpflege in der Ukraine zeichnet sich durch die Abgrenzung gegenüber der russischen Sprache aus. Dies ist als Reaktion auf die lang andauernde Russifizierung des Ukrainischen zu sehen und ist für den großen zweisprachigen Bevölkerungsanteil des Landes nach wie vor eine aktuelle Frage. Vor diesem Hintergrund sind auch die Orientierung an der westlichen (galizischen) Variante der ukrainischen Literatursprache zu verstehen (die im größeren Maß ihre Eigenständigkeit gegenüber russischen Einflüssen wahrte) sowie die Aufrufe, zur literatursprachlichen Norm der 1920er Jahre zurückzukehren und darüber hinaus die differenzierenden Elemente in der Morphologie, Syntax und besonders Lexik zu pflegen. Dabei werden als Alternativen entweder eigene ukrainische Elemente oder auch Polonismen vorgeschlagen (z. B. anstelle von поїзд – потяг, was eine calque-Übersetzung des Deutschen Zug darstellt). Bei einigen Varianten spielen auch ideologische Überlegungen eine Rolle: z. B. wird die Verbindung на Україні als „staatsverneinend“, als regional beschränkt gesehen, stattdessen wird в Україні propagiert. Die Kritik an Amerikanismen und anderen Fremdwörtern (vor allem in der politischen Terminologie) geht in die gleiche Richtung wie die Auseinandersetzung mit den Russizismen.

Die negative Bewertung dialektaler Elemente – obwohl im Ukrainischen in geringerem Maß als im Russischen – erscheint gegenwärtig zurückhaltender, da in den verschiedenen Regionen der Ukraine der sprachliche Usus sehr variiert. Ein kultiviertes Ukrainisch spricht hauptsächlich der gebildete Teil der Bevölkerung, weit verbreitet dagegen sind Dialekte und der sog. Suržyk (Суржик) - ein umgangssprachliches Gemisch aus dem Russischen und Ukrainischen auf allen Ebenen des Sprachsystems, welches insbesondere für die südöstliche Ukraine kennzeichnend ist. Gegen den Suržyk polemisieren heftig die Vertreter einer aktiven Sprachpflege, da sie in ihm unverkennbar russischen Einfluss sehen. In diesem Zusammenhang steht auch die negative Bewertung des ukrainischen Jargons (vor allem des Jugendjargons), als Produkt der „sprachlichen Nötigung“ durch das Russische und die Massenmedien. In jüngster Zeit kommt es allerdings zu einer Neubewertung des Status und der genetischen Wurzeln und damit zu einer toleranteren Haltung gegenüber dem ukrainischen Jargon.

Ungeachtet eines erheblichen Russifizierungsdrucks existierte bereits zu Sowjetzeiten in der Ukraine ein System, das im Bereich der Sprachpflege tätig war. Nachdem 1991 dieses System vom ideologischen Druck und der Zensur befreit wurde, arbeitet es flexibel und effektiv. Die Grundlage der sprachlichen Ukrainisierung stellen die Schulen und Hochschulen dar, zudem die wirksame und aussichtsreiche ukrainische Sprachvermittlung in Kindergärten, in denen (in vielen Regionen und Städten) ukrainischsprachige Erzieherinnen tätig sind. Wichtige Zentren der Ukrainisierung wurden auch die Lehrstühle für ukrainische Sprache und Literatur, die nicht nur an allen Universitäten und Pädagogischen Hochschulen der Ukraine existieren, sondern auch an vielen Fachhochschulen und anderen höheren Lehranstalten.

Vereinigungen zur Pflege der ukrainischen Sprache sind jenseits der ukrainischen Grenzen in den Landsmannschaften aktiv, so in der Russischen Föderation, Kasachstan, Polen, Slowakei u. a.Die staatliche Unabhängigkeit der Ukraine und die Realisierung des Sprachgesetzes sind die Garanten der sprachlichen Ukrainisierung. Ungeachtet der Schwierigkeiten sind unbestreitbare Fortschritte zu verzeichnen, insbesondere unter der Jugend gewinnt das Ukrainische an Popularität. In der Dynamisierung und Demokratisierung gewinnt das Ukrainische größere Freiheit, Beweglichkeit und damit auch Attraktivität. Der weitere Erfolg der gegenwärtigen Sprachpolitik wird in vielem von der wirtschaftlichen Stabilität des Landes wie auch von der realpolitischen Ausrichtung in der Zukunft abhängen.