projekt 2IV.4
  Diskurse in den EU-Beitrittsländern Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn und Slowenien über die Zwangsmigration der Jahre 1938 - 1950
Ziel

Ziel des Projektes ist die vergleichende Untersuchung der Debatten, die seit der Wende in den EU-Beitrittsländern Ostmitteleuropas zur Frage der "Vertreibungen" geführt wurden. Berücksichtigt werden dabei nicht nur Diskurse über die Flucht und Vertreibung der Deutschen, sondern alle Debatten über jene Zwangsmigrationen, die zwischen 1938 und 1950 auf dem Gebiet Polens, Tschechiens, der Slowakei, Ungarns und Sloweniens feststellbar sind. Deutschland, Österreich und die Europäische Union werden bei der Analyse der transnational geführten Debatten in die Untersuchung miteinbezogen.

Zeitraum 1.6.2003 bis 1.6.2005
Team Prof. Dr. Martin Schulze Wessel
Dr. Peter Haslinger
Erik Franzen

Projektbeschreibung Die seit 1989 geführten Diskussionen bilden miteinander vernetzte, aber national zentrierte Diskurse. Die strukturellen Verschränkungen zwischen den einzelnen nationalen Diskursen werden an einigen Beispielen (wie der Debatte um die Beneš-Dekrete) transparent gemacht. Im Zentrum des Interesses steht für die Projektarbeit jedoch nicht die Klärung rechtlicher oder historiographischer Probleme, sondern die Funktionalisierung der Debatten im Kontext der Transformation. Die Frage, in welchen Aspekten die Diskurse als binnen- oder transnationale betrachtet werden können, wird dabei für die Bereiche Politik, Medien und Wissenschaft untersucht. Die verwendeten Auto- und Heterostereotypen, ihre historische Grundierung und aktual-politische Instrumentalisierung bleiben dabei in das Gesamtbild ebenso einbezogen wie die Debatten um die europäischen Grundwerte und die Verarbeitung aktueller Ereignisse - z.B. der ethnischen Säuberungen im ehemaligen Jugoslawien.

I
n der Analyse werden zunächst die Trägergruppen bestimmter Diskurse identifiziert und Phasen diskursiver Verdichtung für die analysierten Gesellschaften vergleichend festgestellt. Der Grad der inhaltlichen Festlegung des nationalen Geschichtsbildes und der Wandel der verwendeten Terminologie zum Thema "Vertreibung" wird anschließend thematisiert. Ein spezielles Gewicht liegt auf der Analyse des Wanderns von Motiven und Argumentationsketten und der Vereinigung widersprüchlicher Deu-tungen aus den Bereichen Politik, Medien und Wissenschaft zu einem gesamtgesell-schaftlichen Leitbild. Dabei wird die Funktionalisierung der Vertreibungsthematik auch dahingehend untersucht, von welchen Gruppen in der Debatte positive oder ne-gative Bezüge zu einzelnen europäischen Grundwerten hergestellt werden.
Quellen, Methode und Interdisziplinarität

Als Quellen dienen dem Projekt offizielle Dokumente (z.B. Regierungserklärungen, Gesetze, bilaterale Übereinkommen), Dokumente politischer Parteien und Akteure (Parteiprogramme, Wahlkampfreden, Interviews), die politische, literarische und wissenschaftliche Publizistik (z.B. Fachzeitschriften) und Verlautbarungen von Fachgremien, Interessensverbänden und einzelnen Personen des öffentlichen Lebens seit 1989.

Die Projektarbeit erfolgt in einem Team von Wissenschaftler/innen aus Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn. In ihm sind bereits verschiedene Disziplinen vertreten (Geschichte, Politikwissenschaften, Literaturwissenschaften, Soziologie). Den verbindenden methodischen Ansatz liefert hierbei die Diskursgeschichte, die im Rahmen des Projekts als Verbindung und Weiterentwicklung der sprachwissenschaftlich orientierten kritischen Diskursanalyse und des Theorieansatzes der Erinnerungs-kultur und Geschichtspolitik verstanden wird. Außerdem arbeitet das Forscherteam mit Methoden der Identitäts- und Stereotypenforschung sowie der Imagologie. Er-gebnisse aus dem Bereich der Migrationsforschung dienen der Einordnung der Mi-grationsprozesse der Jahre zwischen 1938 und 1950.

Ergebnispräsentation und Praxisbezug

Eine Reihe von Workshops und eine Fachtagung (im September 2004) garantieren einen ständigen Austausch mit den anderen in forost vertretenen Projekten und eine fortlaufende Diskussion mit der internationalen Fachwelt.

Am Ende der Projektlaufzeit werden die Ergebnisse dann in mehrfacher Weise dem Fachpublikum und einer interessierten Öffentlichkeit vorgelegt: Ein Sammelband wird die Projektarbeit in einer Reihe von Einzelstudien präsentieren, ergänzt um eine umfangreiche länderübergreifende Bibliographie und eine Auswahl relevanter Dokumente in Originalsprache und Übersetzung. Bibliographie und Dokumente werden allen Interessierten jedoch auch online (über die homepage des Collegium Carolinum) und im Rahmen der forost-Datenbanken "Quellen und Materialien zur Beziehungs- und Integrationsgeschichte" (Projekt 2.IV.1) und "Ethnodoc" (Projekt 2.IV.5) zur Verfügung gestellt werden.

 Veranstaltungen 11. 10. 2003, München
Tagung
Zur Analyse aktueller Diskurse über Flucht und Vertreibungen 1938-1950 in Zentral- und Ostmitteleuropa
Programm zum download

Abschlußbericht zum download

 

forost-startseite     mitarbeiter     projekte     publikationen    forschung     bilder