projekt 331
  Korruptionsbekämpfung in Osteuropa
Zeitraum 1.1.2006 bis 31.12.2007
Team Friedrich-Christian Schröder
Herbert Küpper (Ungarn)
Petr Bohata (Tschechische Republik, Slowakei)
Tomislav Pintarić (Kroatien)
Stefanie Solotych (Russland, Ukraine)
Tina de Vries (Polen)
Axel Bormann (Rumänien)

et al.

Fragestellung Die Korruption ist ein ernstes Thema in Europa. Sie existiert in den EU-Altmitgliedern sowie in den europäischen Institutionen. In Osteuropa hat sie aber eine andere Quantität und auch Qualität: In allen seriösen internationalen Vergleichen sind die Korruptionsindices der osteuropäischen Staaten schlechter als die der meisten Altmitglieder. Auch bei der Osterweiterung der EU waren und sind die Korruption und ihre Bekämpfung eines der Kernprobleme. Vor der ersten Erweiterungsrunde widmeten die Monitoringberichte der Kommission der Korruption in den damaligen Kandidatenländern große Aufmerksamkeit, und auch bei den Verhandlungen mit den Kandidaten Bulgarien, Rumänien und Kroatien ist die Korruption eines der zentralen Themen. Schließlich werden auch die Rechtsbeziehungen zu den "Neuen Nachbarn" im Osten durch Korruption belastet, und ihre Bekämpfung ist ein Dauerthema im Dialog der EU mit diesen Staaten.

Insgesamt haben die osteuropäischen Staaten große Anstrengungen unternommen, um das Problem der Korruption anzugehen. Ebenso vielfältig wie das Phänomen sind die Strategien, es zu bekämpfen. Die osteuropäischen Staaten haben mit großer legislativer Kreativität neue Institutionen und Regelungen geschaffen, um die Korruption einzudämmen. Einige Vorschriften zeigen deutlich westeuropäische Einflüsse, andere sind genuin osteuropäische Entwicklungen.

Das "Antikorruptionsrecht" ist kein in sich geschlossenes Rechtsgebiet, sondern eine Zusammenstellung von Rechtsvorschriften aus unterschiedlichsten Bereichen. Von besonderer Relevanz ist hierbei das öffentliche Vergaberecht (Beschaffung und Auftragsvergabe durch die öffentliche Hand), das Strafrecht (Bestrafung korrupter Amtsträger und ihrer Partner außerhalb des öffentlichen Dienstes, Strafbarkeit juristischer Personen) und das öffentliche Dienstrecht (Disziplinarrecht, Pflicht zur Vermögensoffenlegung, Verhaltens- und "Ehren"-Kodices für Beamte, Einführung eines Laufbahndienstes, verbunden mit einer Reform der Besoldung). Weitere relevante Vorschriften finden sich im Zivilrecht (Ungültigkeit und Rückabwicklung von Verträgen, die durch Korruption zustande gekommen sind, Schadensersatz- und Bereicherungsansprüche), im allgemeinen Verwaltungsrecht (Verwaltungsverfahren und gerichtlicher Rechtsschutz) oder im Finanzrecht (Kontrolle von Geldströmen etwa im Rahmen der "Geldwäsche"-Vorschriften, steuerliche Aspekte).

Das Projekt "Korruptionsbekämpfung in Osteuropa" will in Länderstudien zu den wichtigsten Neumitgliedern (Polen, Slowakei, Tschechien, Ungarn), zu den Kandidaten der zweiten Beitrittsrunde (Bulgarien, Rumänien; Kroatien) sowie den wichtigsten "Neuen Nachbarn" (Russland, Ukraine) im Detail aufzeigen, mit welchen rechtlichen Mechanismen die osteuropäischen Staaten die Korruption bekämpfen.

Ein erstes Ziel der Länderstudien ist es festzustellen, inwieweit die Neumitglieder und Beitrittskandidaten gemeinschaftsrechtskonforme Regelungen erlassen haben. Gerade im Antikorruptionsrecht ist die Übernahme europarechtlicher Vorgaben und Standards nicht bloß eine "technische" Frage, sondern beinhaltet Fragen von Werten und Identität.

In zahlreichen osteuropäischen Staaten steht "Europa" als Chiffre für einen Idealzustand, den man für sich anstrebt und der in vorsozialistischer Zeit gegolten haben soll (daher "Rückkehr nach Europa"). Zu diesem Ideal gehören auch eine korruptionsfreie öffentliche Verwaltung und ein korruptionsfreier Wirtschaftsverkehr, und "Europa" wird als korruptionsfrei (jedenfalls als korruptionsfreier als Osteuropa) imaginiert. Die Zurückdrängung der Korruption bedeutet daher für viele Osteuropäer die Annäherung an die "europäische Wertegemeinschaft" und hat somit jenseits des unmittelbaren Effekts auf öffentliche Verwaltung und Wirtschaft auch eine kulturelle und eine moralische Dimension.

Ein zweites Ziel ist es, dem deutschen Rechtsverkehr aufzuzeigen, welche Chancen und Risiken im Verkehr mit osteuropäischen Partnern liegen und welche Mechanismen in Osteuropa bestehen, um die legitimen Interessen der deutschen Teilnehmer zu schützen. Dies betrifft in erster Linie deutsche Unternehmen, die auf osteuropäischen Märkten aktiv sind und sich daher mit den Rechtsvorschriften und den Verhaltensweisen vor Ort auseinandersetzen müssen. Daneben ist es auch für die deutsche Politik und für deutsche Behörden wichtig zu wissen, wie die politischen Partner in Osteuropa die Korruption bekämpfen. Korruptionsbekämpfung wird innerhalb der EU und darüber hinaus immer mehr eine Angelegenheit zwischenstaatlicher Kooperation. Diese kann nur gelingen, wenn in den einzelnen Staaten die einschlägigen Regelungen der anderen Staaten sowie deren Umsetzungspraxis bekannt sind.

Das dritte Ziel der Untersuchung ist die Analyse, wie die einzelnen Vorschriften wirken und ob hieraus Schlussfolgerungen für mögliche Änderungen im deutschen Recht gezogen werden können. Auch wenn sich die postsozialistischen Rechtsordnungen im Vergleich zu den Jahren unmittelbar nach der Wende stark konsolidiert haben, so ist in Osteuropa nach wie vor eine größere Bereitschaft zu radikalem Wandel, zur Aufgabe vorhandener Besitzstände, zur Neuschreibung ganzer Rechtsgebiete und zum Lernen von außen vorhanden. Als Ergebnis dieser Innovationsoffenheit sind viele osteuropäische Rechtsordnungen "moderner" als die deutsche und die der anderen Altmitglieder. Da vor allem die deutsche Gesetzgebungsberatung der letzten anderthalb Jahrzehnte zu den Entwicklungsschüben in den Rechtsordnungen Osteuropas intensive und mehr als nur punktuelle Hilfestellung geleistet hat, kann gerade Deutschland manches vom "juristischen Experimentierfeld" Osteuropa lernen.

Erwartete Ergegnisse Aus der Erforschung der in den untersuchten osteuropäischen Staaten geltenden Rechtsvorschriften, ihrer Anwendung in der Praxis und ihrer Wirksamkeit im Kampf gegen die Korruption sind sowohl wissenschaftliche als auch praxisbezogene Ergebnisse zu erwarten. Zunächst wird deutlich, in wie weit die Rechtsvorschriften und die Rechtspraxis der Neumitglieder sowie der Beitrittskandidaten der nächsten Runde(n) mit gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben übereinstimmen oder von ihnen abweichen. Bei Abweichungen können konkrete Vorschläge zur Harmonisierung des innerstaatlichen Rechts mit dem Europarecht gemacht werden. In Bezug auf Russland und die Ukraine wird deutlich werden, in wie weit diese, dem Erfordernis der Gemeinschaftsrechtskompatibilität nicht unterliegenden Rechtsordnungen von dem aus Westeuropa Gewohnten abweichen.

Des Weiteren können deutsche Unternehmen, Behörden sowie Privatpersonen in ihren Kontakten mit osteuropäischen Partnern von vornherein Strategien entwickeln, die negativen Konsequenzen der vorhandenen Korruption zu vermeiden und sich im Rechtsverkehr in Osteuropa legal zu verhalten. Die deutsche Polizei und Staatsanwalt können gezielter die in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Teile grenzüberschreitender Korruption bekämpfen und mit osteuropäischen Strafverfolgungsbehörden kooperieren. Hierzu ist die Kenntnis des einschlägigen Rechts und seiner Umsetzung unabdingbare Voraussetzung. Falls deutsche Akteure in den untersuchten Staaten Opfer korrupten Verhaltens werden, werden ihnen die Mittel und Wege aufgezeigt, die ihnen zur Gegenwehr zur Verfügung stehen. Angesichts der zwischen Bayern und Osteuropa besonders stark ausgeprägten Kontakte besteht in Bayern ein erhöhtes Interesse an diesem Wissen.

   
 

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