Wandel und Kontinuität in Ost- und Südosteuropa.
Abschlußbericht zu forost phase 1 (2001-2003)
forost Arbeitspapier 17

Einführung

Der Forschungsverbund Ost- und Südosteuropa wurde im April 2001 vom Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst mit der Zielsetzung gegründet, den Verlauf und möglichen Brüche des Wandlungsprozesses in den ehemals sowjetischen Staaten wissenschaftlich zu untersuchen. Mitarbeiter aus vier Universitäten (Bayreuth, Eichstätt, München und Regensburg), sowie vier außeruniversitäre Forschungsinstitute in München (Institut für Ostrecht, Osteuropa-Institut, Südost-Institut und Ungarisches Institut) wurden unter gemeinsamer Thematik und Zielsetzung zusammengefasst.

Die Geschichte Europas ist im Laufe der Jahrhunderte nicht gerade durch Einheit und Frieden gekennzeichnet. Noch im 20. Jahrhundert lag es in Trümmern und wurde dann fast ein halbes Jahrhundert durch eine Mauer geteilt und einen kalten Krieg geprägt. In dieser Zeit wirkten sozialistische Werte und Organisationsstrukturen tief auf politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Prozesse ein. Derartige Spuren lassen sich nicht mit Dekreten und politischen Entschlüssen beseitigen. In den Generationen und Ländern des gegenwärtigen Europa bestehen viele unterschiedliche Bilder und Vorstellungen von Europa, von Freund und Feind, Nähe und Ferne nebeneinander. Ein geeintes, friedliches und demokratisches Europa benötigt deshalb mehr als einen "aquis communautaire". Wirtschaft, Politik und Gesetzgebung aber auch Sprache und Kultur, Wertsysteme und die jeweiligen Perspektiven voneinander, sind Realitäten von denen Erfolg oder Misserfolg des europäischen Zusammenwachsens abhängen.

Der Forschungsverbund forost hat Fragestellungen aus all diesen Themenfeldern und für die wichtigsten Länder des ehemaligen "Ostblocks" analysiert. Veränderungsprozesse in den sogenannten Transformationsländern wurden auf ihre Erfolge und Schwierigkeiten hin untersucht und auf ihre Möglichkeiten und Chancen überprüft. Die Verbundarbeit gliederte sich in 18 Einzelprojekte, die vom ersten Tag an in thematischen Gruppierungen zusammen gefasst wurden. In der so realisierten projektübergreifenden Arbeit konnten – nach anfänglichen Schwierigkeiten – viele Grenzen überschritten oder doch jedenfalls durchlässiger gemacht werden: In der Gruppenarbeit lernten Projekte aus unterschiedlichen Universitäten und außeruniversitären Forschungsinstituten über die eigenen Institutionen hinaus zu kooperieren.

Die problemorientierte Zusammensetzung der Gruppen erforderte den Dialog zwischen Disziplinen und der Bezug zu den Realitäten europäischer Integration schärften Blick und Verständnis für die Schwierigkeit selektive wissenschaftliche Erkenntnisse in eine historisch und gesellschaftspolitisch höchst komplexe Situation einzubringen. Gemeinsame Veranstaltungen und methodischer Austausch förderten zusätzlich die Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit. Außerdem konnten im Laufe der zwei Forschungsjahre viele – ebenfalls interdisziplinäre – Kontakte mit Universitäten und Institutionen in den osteuropäischen Partnerländern aufgebaut bzw. intensiviert werden.

Die Gruppierungen sind in den drei Teilen des vorliegenden Bandes wiedergespiegelt. Die Ergebnisse der Gruppenarbeit und der jeweils spezifische Fokus, der die Einzelprojekte in Arbeitspapier Nr. 17 den Gruppen verband, ist in den Vorbemerkungen der Gruppensprecher zusammen gefasst.

Die einzelnen Ergebnisberichte versuchen, in ihrer internen Gliederungslogik die Vergleichbarkeit der Arbeiten und deren inneren Bezüge deutlich zu machen. Die vorliegende Zusammenfassung versucht, die komplexen Zusammenhänge und Ergebnisse der einzelnen Projekte in allgemeinverständlicher Sprache auf ihre Kernaussagen zu reduzieren und so einen schnellen Überblick über Problemfelder zu ermöglichen. Dass das auf Kosten der Tiefenschärfe und vieler Detailergebnisse gehen muss, versteht sich von selbst. Andere forost-Arbeiten und ausführliche Projektberichte können dem interessierten Leser dieses Defizit ausgleichen.

Seit Juni 2003 wird die Arbeit von forost in leicht veränderter Besetzung mit Fokus auf die Beitrittsländer und die spezifische Problematik der EU-Integration fortgeführt.

München, November 2003

Helga Schubert

Inhalt

Teil I: Transformation vor dem Hintergrund der Osterweiterung der EU Leitidee: Vertrauen

1
Alltagskultur im Sozialismus; Praktiken und Strategien des Alltagslebens in den sozialistischen Ländern und ihre Folgen für die Transformation (Klaus Roth / Marketa Spiritova sowie 11 internationale Mitarbeiter)

2
Neue Migrationen aus Osteuropa und den Nachfolgestaaten der UdSSR nach Deutschland: Ursachen, Tendenzen und Konsequenzen (Hermann Clement / Barbara Dietz)

3
Die Bedeutung der Verfassungsgerichtsbarkeit
(Rainer Arnold)

4
Justizreformen in Osteuropa als Teil der Systemtransformation
(Friedrich-Christian Schroeder / Stefanie Solotych u.a.)

5
Auswirkungen der Privatisierung von Staatsbetrieben in der Tschechischen Republik und Ungarn
(Jörg Maier / Bruno Lukas / Franziska Schaft / Patrizia Schläger-Zirlik)

6
Rolle des Bankensektors für die Unternehmensfinanzierung und Restrukturierung in den Transformationsländern.
(Monika Schnitzer / Christa Hainz)

7
Perspektiven der Währungsbeziehungen zwischen der Europäischen Währungsunion (EWU) und den mittel- und osteuropäischen EU-Beitrittskandidaten
(Hermann Clement / Roman Cech / Richard Frensch)

Teil II: Kulturen im Postsozialismus: Voraussetzungen und Veränderungen 53

8
Untersuchungen zum Sprachbewusstsein in Kroatien
(Peter Rehder / Miloš Sedmidubský / Boris Neusius)

9
Die Rolle der Geschichte und des Geschichtsbewusstseins in der Ukraine nach dem Zerfall der Sowjetunion
(Ekkehard Völkl / Christian Seidl)

10
Das Bild Europas in den Schulbüchern der Ukraine. Von den bisherigen Stereotypen zu neuen Sichtweisen (Ekkehard Völkl / Aleksandr Ivanov)

11
Sprach-, Literatur- und Kulturwechsel in Mittel- und Osteuropa (nach 1968) Kennwort: ‘Kulturwechsel’
(Walter Koschmal / Petra Huber / Dalibor Dobiáš)

12
Das Deutschland- und das Russlandbild in der polnischen Nachkriegsliteratur im Spannungsgefüge zwischen Bruch und Kontinuität
(Heinz Kneip / Sylwia Jarzembowska)

13
Kulturverständnis im postsozialistischen Russland: Modelle und Traditionen
(Leonid Luks / Aleksei Rybakov)

14
Kirchen im Spannungsfeld politischer Transformationen. Soziokulturelle Wirkungsgefüge der Kirchen in der Ukraine von 1944 bis zur Gegenwart
(Horst Glassl / Katrin Boeckh)

Teil III: Nationale Identität, ethnischer Pluralismus und internationale Beziehungen

15
Datenbank zur Minderheitenproblematik und zu den ethnischen Gruppen Südosteuropas "Ethnodoc"
(Gerhard Seewann / Edvin Pezo)

16
Informationsserver "Quellen und Materialien zur Beziehungs- und Integrationsgeschichte in Ostmittel- und Südosteuropa im 20. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung Ungarns, der Minderheitenfrage und der europäischen Integration"
(Ralf Thomas Göllner / Andreas Schmidt-Schweizer)

17
Sprachkultur und Sprachkultivierung in Osteuropa: Analyse und paradigmatischer Vergleich
(Albrecht Greule und Nina Janich / Ludmila Teslia)

18
Die deutsch-bulgarischen Wirtschaftsbeziehungen 1918-1944 und ihre Bedeutung für die Kooperation zwischen der Bundesrepublik und dem postsozialistischen Bulgarien
(Edgar Hösch / Markus Wien / Vladimir Zlatarski)

Anhang

Veranstaltungen und Publikationen



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