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Weißrussisch

Kodifikationsgeschichte

Die erste Kodifikation der orthographischen, phonetischen und morphologischen Normen der weißrussischen Standardsprache war die Grammatik von Anton Luckevič (1916), die auf seinen Vorlesungen zur Heranbildung von Lehrern für das Weißrussische im Gebiet Ober-Ost beruht. Sie ist nicht im Druck erschienen. Wesentlich größeren Einfluss hatte die Беларуская граматыка для школ (B. Taraškévič, 1918) wie die Grammatik von Luckevič . Ihr folgten in den 1920er Jahren weitere Grammatiken, die sich nicht grundsätzlich in der Rechtschreibung und in ihrer Orientierung auf die südwestweißrussischen bzw. mittelweißrussischen Mundarten unterschieden.

In den 1920er Jahren und zu Beginn der 1930er Jahre wurden vorgelegte Projekte der Reform der Rechtschreibung nicht realisiert. Im Bereich der Lexik spielten russisch-weißrussische und weißrussisch-russische Wörterbücher eine gewisse Rolle bei der Erweiterung und Ordnung des Wortschatzes. Das erste große einsprachige normative Wörterbuch erschien erst 1977-1984. 1933 wurde das Regelwerk der weißrussischen Orthographie spürbar verändert und dem der russischen angenähert. So schaffte man die Kennzeichnung der Palatalisierungsassimilation der Konsonanten ab und regelte die Schreibung von Internationalismen nach russischem Vorbild. Diese sog. „Rechtschreibung des Rates der Volkskommissare“ betraf im Übrigen auch Morphologie, Syntax und Lexik. Mit gewissen Korrekturen aus dem Jahre 1957 ist diese Rechtschreibung, deren Regeln 1959 in einer größeren Publikation zusammengefasst wurden, auch heute gültig.

1936 legte dann das 1935 gegründete Institut für Literatur, Kunst und Sprache eine „Morphologie“ (anonym) vor, es folgten System- und Normbeschreibungen vorwiegend in Hochschullehrbüchern und entsprechend adaptiert in Schulbüchern. Normativen Charakter hatten auch die umfangreiche Akademie-Grammatik (1962-1966) und eine zweite kürzere Fassung (1985-1986).

In den 1920er Jahren wurden von verschiedenen linguistischen Institutionen 24 terminologische Wörterbücher für Geistes- und Naturwissenschaften, Medizin, Landwirtschaft u. a. erarbeitet. Noch 1933 erschien ein russisch-weißrussisches Wörterbuch der Militärterminologie. Abgesehen davon, dass diese Terminologien durch den Kurswechsel in der sowjetischen Sprachenpolitik mit wenigen Ausnahmen (z. B. Sprachwissenschaft) keinen Anwendungsbereich mehr fanden, wurden sie wegen der Orientierung auf die Schaffung einer gewissen Distanz zur russischen Terminologie, d. h. wegen eines nationalistischen Purismus, heftig kritisiert. Erst nach der erneuten institutionellen Verselbständigung des Heine-Instituts für Sprachwissenschaft im Institut für Sprachwissenschaft in der Akademie der Wissenschaften der Belorussischen SSR (1952) gab es wieder eine Abteilung für wissenschaftliche Terminologie, die aber schon 1962 geschlossen wurde. Eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für die Auffüllung und Regulierung der Terminologie und auch für die Förderung des Stils der Wissenschaft hatte in den 1960er und 1970er Jahren die Erarbeitung der Беларуская савецкая энцыклапедыя („Belorussische Sowjetenzyklopädie“, 12 Bde., 1969-1975). 1980 wurde an der Akademie wieder eine Terminologische Komission berufen, die vier Sammelbände herausgab.