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Tschechisch

Sprachperioden

Bis zum 10. Jahrhundert

Obwohl die Differenzierung des Slawischen bereits früher einsetzt, bleiben die slawischen Dialekte bis ins 9. Jh. relativ einheitlich. Im 10. Jh. sondert sich das Urtschechische von anderen westslawischen Sprachen (Polnisch, Sorbisch) ab; die sprachliche Ausgliederung des Slowakischen lässt sich ab dem 13. Jh. verfolgen.Weiter werden Frühalttschechisch (11./12.-13. Jh.), Spätalttschechisch (14.-16. Jh.) und Neutschechisch unterschieden.

Die Vorliterarische Periode (11. - 12. Jh.)

Weder für das Urtschechische noch für das Frühalttschechische liegen zusammenhängende literarische Texte vor. Das Urtschechische wurde nur gesprochen (als Schriftsprache galt Latein, z. T. auch Altkirchenslawisch) und lässt sich z. B. aufgrund des Altkirchenslawischen mährischer und böhmischer Provenienz lediglich rekonstruieren. Das Frühalttschechische wird aufgrund der Bohemika (Eigen-/Ortsnamen, selten Appellativa), Glossen (Übersetzungen) und Einträge (Kurztexte) in lateinischen Texten rekonstruiert. Die Jagič-Glossen aus dem 11.-12. Jh. sowie die Hl.-Gregor-Glossen vom Anfang des 12. Jhs. sind alttschechisch mit altkirchenslawischen Einflüssen. 1097 Verbot der slawischen Liturgie, die sich im Großmährischen Reich seit 863 etablierte.

Die literarische Periode

13. Jh.- 14. Jh.:Das Tschechische als Literatursprache, in einer so genannten primitiven Orthographie geschrieben, ist im 13. Jh. bereits konstituiert (Píseň ostrovská, Kunhutina modlitba). Intensive deutsche Kolonisierung 1240-1260 unter den Přemysliden Václav I. und Přemysl Otakar II. bringt besonders in Städten einen tschechisch-deutschen Bilingualismus mit sich, der Přemysliden-Hof wird zu einem der Zentren des Minnesangs. Entlehnungen aus dieser Zeit sind im heutigen Tschechischen voll adaptiert. Zur Etablierung des Tschechischen als Literatursprache trägt im 14. Jh. u. a. folgendes bei: Errichtung des Prager Erzbistums (1344) und Gründung der Prager Universität (1348, erste terminologische Wörterbücher u. a. m.), Aufwertung des böhmischen Königreiches, zu dessen Attributen auch die böhmische Sprache (Bestandteil der Krönungsfeier) gehörte, innerhalb des Römischen Reiches (1356). Als Literatursprache herrscht Latein vor, doch wird auf Tschechisch geschrieben oder ins Tschechische übersetzt. Besonders die Kirche (Gebete, Glaubensbekenntnis, Lesung aus dem Evangelium, Lieder), aber auch die Karlsuniversität wirken kultivierend und vereinheitlichend auf den tschechischen (geschriebenen) Kulturstandard. Die Ligatur-Orthographie wird für die Zwecke des diplomatischen Bereichs (Urkunden) bewusst reformiert und gelehrt. Im 13.-14. Jh. wird die dialektale Ausdifferenzierung des Tschechischen (böhmische, mährische Dialekte) deutlich.

15. Jh.:Durch politische Entwicklung während des 15. Jhs. (Hussitismus) wird das Tschechische weiter aufgewertet (Verwaltung, Kirche, voruniversitäre Ausbildung). Die Karlsuniversität zieht nach weiteren Universitätsgründungen in Mitteleuropa und dem Kuttenberger Dekret (1409) überwiegend Studenten aus den Böhmischen Ländern an, sodass die Bedeutung des Tschechischen im Umkreis der Universität steigt. Jan Hus gilt nicht nur als religiöser Reformator, sondern auch als Kritiker der „Mischung“ des Deutschen und Tschechischen. Mit ihm verbindet man auch den Entwurf der diakritischen Orthographie (De orthographia bohemica), die sich durch den Buchdruck allmählich gegen die Ligatur-Orthographie durchsetzte (im 15. Jh. parallel).

16.-17. Jh.:Im Humanismus (16. und 17. Jh.) erlebt das Tschechische eine bewusste Kultivierung, die durch das Schulwesen und den Buchdruck begünstigt wurde, vor allem durch die Sonderstellung des Tschechischen als erste Landessprache. In gebildeten Schichten besteht tschechisch-lateinischer (und deutsch-lateinischer) Bilingualismus, der sich nicht nur im lexikalischen Bereich auswirkt. Durch die „Verneuerte Landesverfassung“ (1627, Mähren 1628) wurde dem Tschechischen das Deutsche als Landessprache gleichgestellt. Die massiven Änderungen in der Gesellschaftsstruktur führten jedoch zur allmählichen funktionalen Einschränkung des Tschechischen. Die „kulturtragenden Schichten“ orientieren sich am Deutschen und Lateinischen. Die Epoche ist durch weitere dialektale Ausdifferenzierung des Tschechischen und Verlust des sprachlichen Zentrums gekennzeichnet. Vielleicht auch deswegen hat die Barockzeit eine ganze Reihe von Grammatiken (V. J. Rosa, J. Drachovský, V. M. Štajer) hervorgebracht. J. Konstanc versucht in seiner Lima linguae bohemicae (1667) den Usus im Sinne des hohen Stils zu ändern, indem er sich an Setzer und Buchdrucker wendet. In der Grammatik Čechořečnost seu Grammatica linguae bohemicae (1672) von V. J. Rosa, die den Höhepunkt der theoretischen Beschreibung des Tschechischen dieser Zeit darstellt, werden puristische Tendenzen deutlich; so auch später besonders bei J. V. Pohl in seiner Grammatica linguae Bohemicae oder die böhmische Sprachkunst (1756). J. A. Komenskýs Projekt eines tschechischen Thesaurus hat V. J. Rosa weiterverfolgt (ungedruckt). Über den Wortschatz dieser Zeit informiert das tschechisch-lateinisch-deutsche Wörterbuch von K. Vusín (1700).

18.-19. Jh.:Die wachsenden Kommunikationsbedürfnisse in der Muttersprache (Ende 18. Jh. bzw. Anfang 19. Jh.) brachte die Kodifizierung der Literatursprache mit sich. F. M. Pelcl und J. Dobrovský zogen als Grundlage hierfür die Sprache des Späthumanismus (16. Jh.) bzw. auch die Sprache J. A. Komenskýs heran, während F. J. Tomsa und K. I. Thám den zeitgenössischen Usus in Betracht zogen. Dobrovskýs Entwurf in (Ausführliches) Lehrgebäude der böhmischen Sprache (1809, 1819) hat sich wohl vor allem deswegen durchgesetzt, weil dadurch im Bereich der Phonologie und Morphologie eine klare Trennung der Literatur- und der Umgangssprache möglich war. Die Literatursprache erfährt eine spontane Entwicklung, indem sie vor allem im syntaktischen, aber auch im morphologischen und lexikalischen Bereich durch die gesprochene Sprache beeinflusst wird. Darauf reagierten Sprachwissenschaftler in konservativ orientierten Arbeiten (z. B. Brus jazyka českého), in denen sie den alten Usus anmahnten und gegen Germanismen antraten. Obwohl sie von der einflussreichen Stiftung Matice Česká herausgegeben wurden, konnten sie nur bei der Bekämpfung der Germanismen Erfolge verzeichnen.

20. Jh.: Nach 1918, mit der Gründung der Tschechoslowakei, entsteht Bedarf an Konstituierung/Vervollkommnung spezifischer terminologischer Bereiche (Militär, Eisenbahn, Verwaltung), die bisher in der k.u.k. Monarchie deutsch dominiert waren. Aus diesem Bedürfnis heraus wurde 1922 die Zeitschrift Naše úřední čeština gegründet, die sich allerdings weitgehend auf Ausmerzung von Germanismen beschränkte. Der Pflege des Tschechischen hat sich auch die Zeitschrift Naše řeč (seit 1917) verpflichtet. Sie verfolgte auch für die Sprache der Gegenwart historische Authentizität, Regelmäßigkeit und Reinheit. In Reaktion darauf wurden beim I. Slawistenkongress in Prag (1929) allgemeine Prinzipien der Sprachkultur präsentiert (B. Havránek, V. Mathesius u. a.) und seit 1932 auch in der Öffentlichkeit vertreten. Die Norm der Schriftsprache sollte danach auf der literarischen/sprachlichen Praxis der letzten 50 Jahre basieren. Die sog. tschechoslowakische Sprache, die Staatssprache der 1918 gegründeten Tschechoslowakei, sollte sich auf Tschechisch oder Slowakisch realisieren. Nach der Föderation der Tschechoslowakei (1968) hat sich durch die Massenmedien der – wenn auch vor allem passive – tschechisch-slowakische Bilingualismus als sozial relevantes Phänomen herausgebildet, der nach der Teilung der Tschechoslowakei zum 31. Dezember 1992 an Bedeutung verliert.