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Tschechisch

Allgemeines

A) Allgemeines: Die Diskussion um die Sprachkultur konzentriert sich auf die kodifizierte geschriebene und gesprochene Schriftsprache (spisovný jazyk) und das Gemeintschechische (obecná čeština), das lediglich von etwa 6 Millionen Sprechern vor allem im westlichen Teil der Tschechischen Republik (Böhmen, Westmähren, schichtenspezifisch auch in mährischen Zentren wie Brno) gesprochen wird.

B) Die momentane sprachliche Situation in Tschechien: Die tschechische Schriftsprache als ein System allgemein akzeptierter Ausdrucksmittel und Arten ihres Gebrauchs ist ein gesamtnationales Gebilde, das jeden Kommunikationsbedarf eines gebildeten Sprechers erfüllen kann. Es hat die Funktion nationaler Repräsentation und wird als kultureller Wert verstanden. Es hat eine einheitliche Norm, die sich in einheitlicher Kodifikation in Handbüchern widerspiegelt. Im Einzelnen lassen sich zwar einige mährisch-regionale Elemente von solchen unterscheiden, die in Böhmen gebraucht werden, doch – betrachtet man die Schriftsprache als Ganzes – handelt es sich um geringfügige Unterschiede. Die gegenwärtige Sprachsituation wird charakterisiert durch die wachsende Offenheit bezüglich der schriftsprachlichen Normen und der Beziehungen zwischen schriftsprachlichem Standard und Substandard im weiteren Sinne des Wortes, also zwischen dem, was außerhalb des Standards existiert. Diese Situation hat zwei Seiten.

(1) Auf der einen Seite wächst die Toleranz gegenüber umgangssprachlichen und Substandardmitteln in der öffentlichen Kommunikation (so z. B. bei Sendungen einiger Radiostationen, in einigen Fernsehprogrammen, in der gesprochenen und geschriebenen Werbung, in der Boulevardpresse u. Ä.). Die allgemein größere Toleranz der Sprecher gegenüber dem Substandard betrifft nicht nur die mediale, sondern die öffentliche Kommunikation insgesamt. In einigen Gruppen der jüngeren und jüngsten Generation wird die Fähigkeit, den schriftsprachlichen Standard zu beherrschen, zunehmend eingeschränkter, ohne dass dies von diesen Sprechern als etwas Negatives empfunden wird.

(2) Andererseits arbeiten im Radio und Fernsehen kultivierte Sprecher und Redakteure, darunter auch Universitätsprofessoren (z. B. in der Sendung Netopýr ‘Fledermaus’), die führende Fachleute aus Wirtschaft, Politik, Kultur usw. in ihre Sendungen einladen. Das Ansehen eines kultivierten Tschechisch wächst in bestimmten sozialen Gruppen deutlich an und dessen Kenntnis stellt ein soziales Statusmerkmal dar.Linguisten, die über das „Auflösen“ der schriftsprachlichen Normen, über das „Verwischen“ ihrer Grenzen sowie über die Schwächung des Prestiges der tschechischen Schriftsprache und ihre mangelnde Kenntnis in einigen sozialen Gruppen schreiben, führen diese Situation auf mehrere Faktoren zurück. Für die wichtigsten Faktoren halten sie (1) die Existenz des spezifisch tschechischen Typs der Diglossie und (2) die dynamische Entwicklung der Medien einschließlich Internet bzw. den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt, der den Sprecher in ganz neue, vielfältige Kommunikationssituationen versetzt und der seine Ausdrucksweise beeinflusst. So ändern bzw. liberalisieren sich die Kommunikationsnormen (die Verhaltensnormen) in unterschiedlichen Kommunikationssituationen. Die Sprachnormen werden auf diese Art von den Kommunikationsnormen beeinflusst, was in der Folge auch die Kodifikation komplizieren kann. Linguisten unterscheiden höhere und niedrigere Varietäten des Tschechischen, die zu einer Art von Diglossie-Situation führen.

C) Die Theoretische Diskussion um den Terminus SprachkulturIn der tschechischen Sprachwissenschaft wird die Sprachkultur als ein Dachbegriff verstanden, der vier Segmente umfasst: (1) Sprachkultur im engeren Sinne des Wortes (Zustand der Schriftsprache), (2) Kultivierung der Schriftsprache (Sprachpflege), (3) Sprache in Texten, (4) Orthoepie. Die Aufgaben, die im Rahmen dieser Segmente gestellt werden, sind einerseits die Beschreibung und Analyse des gegenwärtigen Sprachusus, andererseits seine Bewertung und die daraus abgeleitete Kodifikation. Letzteres sollte nicht das verhindern, was in der Sprache wirklich existiert und was sich entwickelt. Es sollte eine Kodifikation sein, die einen allgemein akzeptierten Usus reflektiert. Die Grundlagen der Theorie der Sprachkultur und der Schriftsprache reichen für das Tschechische bis zu Beginn der 1930er Jahre zurück. Die funktional angelegte Theorie der Sprachkultur, die den Purismus als Prinzip der Sprachkultur definitiv ablehnt, wird seitdem weiter entwickelt und bearbeitet.Die gegenwärtige Sprachsituation führt die Linguisten zu besonderer Aktivität im Bereich der Theorie der Sprachkultur. Es werden Konferenzen veranstaltet und diesem Thema gewidmete Fachpublikationen herausgegeben.