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Tschechisch

Spezifika

Linguisten unterscheiden höhere und niedrigere Varietäten des Tschechischen. Im Vordergrund des Interesses steht die Prestigevarietät oder die kultivierte Varietät, welche die Existenzform der Nationalsprache darstellt, die in offiziellen Kommunikationssituationen erwartet – und auch empfohlen – wird, damit die Kommunikation erfolgreich verläuft. In dieser Varietät realisieren sich sowohl die geschriebene als auch die gesprochene öffentliche Kommunikation, die als angebracht gilt. Im Gegensatz zur tschechischen Schriftsprache, die kodifiziert ist, hat die Prestigevarietät bewegliche Grenzen. Zu ihr gehören zwar auch nicht-schriftsprachliche (unkodifizierte) Elemente, aber nur solche, die nicht als unkultiviert betrachtet werden. In diese Prestigevarietät dringen Elemente vor, die zunächst in der normal gesprochenen Sprache vorkommen und sich zur Prestigevarietät hin verschieben, um Lücken im System zu füllen, die durch das Fehlen von stilistisch neutralen Varietäten bedingt sind. Kenntnis und Autorität der Prestigevarietät gehen Hand in Hand mit dem als angesehen geltenden sozialen Verhalten.
Die kodifizierte schriftsprachliche Norm des heutigen Tschechisch befindet sich nicht im Einklang mit der vorherrschenden Sprachpraxis in alltäglichen, „normalen“ Kommunikationssituationen bzw. mit dem üblicherweise gesprochenen Tschechisch. In informellen Kommunikationssituationen spricht nämlich ein beträchtlicher Teil der Sprecher nicht schriftsprachlich, sondern mischt die Schriftsprache mit niederen Varietäten, besonders mit dem sog. Gemeintschechischen (obecná čeština), mit Interdialekten, eventuell Dialekten u. Ä. Das üblicherweise gesprochene Tschechisch ist uneinheitlich, nicht homogen, zeigt einen hohen Grad an Variabilität und Instabilität. Die Wurzeln dieser Situation reichen bis in die Zeit der nationalen Wiedergeburt, zur ersten Generation der nationalen Erwecker zurück (siehe J. Dobrovský).
Im Hinblick auf die formalen und funktionalen Unterschiede zwischen dem kodifizierten Tschechisch und der weit verbreiteten, nicht-kodifizierten Varietät des täglichen, inoffiziellen Umgangs, spricht man manchmal von einem spezifisch tschechischen Typ der Diglossie (in Sinne Fergusons), besser von einem Ansatz hin zu ihr. Um eine absolute Diglossie handelt es sich aus mehreren Gründen nicht, vor allem deshalb, weil zwar in Böhmen, nicht aber in Mähren und Schlesien, in der Alltagssprache häufig das so genannte Gemeintschechische verwendet wird (diese ursprünglich interdialektale Existenzform des Tschechischen bleibt territorial mehr oder weniger auf Böhmen beschränkt). Im Unterschied zu Böhmen wird in Mähren im normalen Umgang sowie in offiziellen Ansprachen vom Gemeintschechischen nur minimal Gebrauch gemacht. Eine Reihe von Umfragen zeugen davon, dass ein Mährer, wenn er keinen Interdialekt oder Dialekt sprechen will, die Schriftsprache, nicht aber das Gemeintschechische wählt.Der Begriff und Terminus Gemeintschechisch, der ursprünglich die Sprache des „gemeinen“ Volkes ohne höhere Bildung meinte, ist jedoch umstritten. Aus dem Gemeintschechischen dringen zwar einige Elemente in die tschechische Schriftsprache vor, besonders in ihre gesprochene Form (z. B. holka, kluk, bál, bramboračka), doch darf der Einfluss des Gemeintschechischen auf die Schriftsprache nicht überschätzt werden.