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Russisch

Sprachperioden

Erste Periode (6.-14. Jh.)

Die erste Periode ist die Zeit der Aussonderung der Ostslawen als Vorläufer der Russen, der Ukrainer und Weißrussen aus dem Gesamtslawischen mit der weiteren Teilung im 14./15. Jh. in drei ostslawische Sprachen. Im 9. Jh. entstand im Mittellauf des Flusses Dnepr auf dem Territorium, das die Poljanen besiedelten, ein feudaler Staat: die Kiever Rus’.

Zweite Periode (14.-17. Jh.)

Die zweite Periode zeichnet sich durch den Zerfall der einheitlichen ostslawischen (altrussischen) Sprache aus, durch die Formung des Russischen als Sprache der russischen Völkerschaft, die sich im phonetischen und grammatischen Bau dem Russischen in seinem heutigen Stand nähert. Im zweiten Viertel des 14. Jhs. wird Moskau zum politischen und kulturellen Zentrum Russlands (Moskauer Rus’); dadurch gewinnt Moskau eine besondere Rolle bei den sprachlichen Ausgleichsprozessen undNormierungsbemühungen. Die sprachliche Situation ist in dieser Zeit durch die kardinalen Wandlungsprozesse – von der Diglossie Kirchenslawisch-Russisch zur Zweisprachigkeit, die auch eine andere Verteilung der Funktionen zwischen den Sprachen zur Folge hatte – gekennzeichnet. Kirchenslawisch als Schriftsprache gewann an Einfluss im Buchdruck, in der Schulbildung und in der mündlichen Kommunikation. Im 17. Jh. kommt es zu ersten Versuchen, in der „einfachen“ russischen Sprache (простой язык) zu schreiben, die noch keine schriftliche Tradition aufwies und deshalb sehr flexibel war, die aber eindeutig in Opposition zum Kirchenslawischen stand. Die Konkurrenz zweier Sprachen bedeutete eine Veränderung in der sprachlichen Situation in der zweiten Hälfte des 17. Jhs.

Dritte Periode (18.-20. Jh.)

In die erste Hälfte des 18. Jhs. fallen einzelne Bemühungen, Russisch in seiner „einfachen Form“ zu kodifizieren. Sprachregelnde Initiativen kamen im 18. Jh. von den bedeutendsten Persönlichkeiten jener Zeit und von angesehenen Institutionen wie der Russischen Akademie der Wissenschaften (Российская Академия Наук). Die Orthographiereform des Zaren Peter I. (1708-1710) hat das Kirchenslawische und das Russische in der Schrift voneinander getrennt, indem neben den kirchlichen die weltlichen Buchstaben (гражданская азбука) eingeführt wurden. Letztere waren vereinfacht und sollten schnelleres Schreiben ermöglichen. Die sprachlichen Reformen des 18. Jhs. waren Zeugnisse des kulturellen Einflusses Westeuropas auf Russland. Die wichtigsten sprachkultivierenden Aufgaben bestanden darin, das russische Sprachgut nach eindeutigen Kriterien vom Kirchenslawischen zu trennen. Verlangt wurde dabei eine bewusste Auswahl mit normativer Zielsetzung. Hervorragende Leistungen bei der Regelung der russischen Sprache vollbrachte M. Lomonosov. Als Ergebnis entstand eine allgemeingültige russische Literatursprache von neuer Qualität.

Im 19. Jh. stellte sich das Problem der Annäherung der russischen Literatursprache an den mündlichen Sprachgebrauch als neue Aufgabe der Sprachkultivierung. Als regulierendes Prinzip wurde dabei das richtige Sprachgefühl anerkannt. Neuerliche sprachkritische Diskussionen und sprachregelnde Programme waren dabei mit dem Streit über das Verhältnis zwischen dem kirchenslawischen und dem russischen Anteil im Sprachgut verbunden. Der Antagonismus zwischen den „Archaisten“ (славянофилы) und den „Erneuerern“ (западники) betraf die grundlegende Frage der Kultivierung der russischen Sprache entweder im Rahmen der westeuropäischen Erfahrungen oder im Rahmen der slawophilen Ansätze. Die Lösung lag in der Mitte; ihre Realisierung war mit dem literarischen Schaffen Alexander Puschkins verbunden. Vor dem Hintergrund der für die russische Sprachgeschichte typischen Kontroverse „Vertrautes vs. Fremdes“ erscheinen die sprachlichen Bemühungen Puschkins als nationaltreu, nationalspezifisch und zugleich stark europäisch geprägt. In der zweiten Hälfte des 19. Jhs. entwickelte sich das Russische als Sprache einer klassischen Literatur von Weltrang. Sprachreflektierende und sprachkultivierende Ansätze sind nicht nur in der Tätigkeit der Grammatiker und Orthographen (A. Vostokov, J. Grot) und der Wörterbuchverfasser (V. Dal’) zu entdecken, sondern auch in den gesellschaftlichen Bemühungen um die russische Sprachkunst (русская словесность) als philologischer Disziplin, die im Bildungssystem Russlands als nationalspezifische Erscheinung einen besonderen Platz einnahm und seit dem 19. Jh. die sprachkulturellen Bestrebungen prägte.

Das 20. Jh. stellt als Zeit grundlegender sozialer Wandlungen, die das Russische und seine Sprachkultur stark beeinflussten eine besondere Etappe in der russischen Sprachgeschichte dar. Als hochkultivierte Literatursprache mit langer Tradition wurde das Russische zur zwischennationalen Verkehrssprache, zur Sprache der Verständigung und Zusammenarbeit aller Völker der UdSSR erklärt (язык межнационального общения). Aus sprachkultureller Sicht galt das sprachliche Ideal des 19. Jhs. (d. h. die Sprache der russischen klassischen Literatur) weiterhin als vorbildlich. 1964 wurde die russische Sprachkultur als selbständige Disziplin institutionalisiert durch die Gründung der SEKTION FÜR SPRACHKULTUR am INSTITUT FÜR RUSSISCHE SPRACHE der Akademie der Wissenschaften der UdSSR (heute Russische Akademie der Wissenschaften).