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Slowenisch

Allgemeines

Nach dem 2. Weltkrieg erhielt Slowenisch wiederum den Status der Amtssprache in Slowenien als einer der jugoslawischen Teilrepubliken und nur auf Deklarationsebene auch den Status einer Staatssprache der jugoslawischen Föderation; zu den alten sprachpolitischen und kulturellen Problemen (praktische Privilegiertheit des Serbokroatischen, Ausbalancierung der slowenischen stilistischen Norm) kamen neue hinzu, die mit der Veränderung der Gesellschaftsordnung, mit der raschen Industrialisierung und mit der Aufoktroyierung kommunistischer Ideologie zusammenhingen.Weil man die technische Intelligenz brauchte, entwickelte sich auch das Schulwesen schnell, jedoch oft ohne befähigte Lehrkräfte. Der Qualifizierung für eine unmittelbare Materialproduktion wurde viel Nachdruck verliehen, während die Sorge um humanistische Inhalte und die Sprachkultur nachließ. In der Schule wurde erneut das Pflichtfach Serbokroatisch eingeführt. Bei der Nutzung neuer Möglichkeiten in der öffentlichen Verständigung wurde Slowenisch gezielt behindert. Während dieser Zeit kam es jedoch zu einem bedeutenden Fortschritt im Gebrauch der gesprochenen slowenischen Schriftsprache in der Kirche.

Die Sprachwissenschaft reagierte zunächst wirkungsvoll auf die neuen gesellschaftlichen Bedürfnisse und Probleme und versorgte die Öffentlichkeit mit neuen kodifizierenden Werken: der Slovensko pravorečje (Rupel 1946), der Slovenski pravopis (Ramovš et al. 1950), der Slovenska slovnica (Bajec et al. 1956) und mit dem serbokroatisch-slowenischen Wörterbuch (Jurančič 1955). Anlässlich der Kodifizierung einer marginalen morphologischen Kategorie (bralec/bravec) in der neuen Ausgabe der Slovenski pravopis (Bajec et. al. 1962) kam es zu polemischen Auseinandersetzungen, in welchen die jüngere Generation der Sprachwissenschaftler neue (strukturalistische, funktionalistische) Ansichten über die Schriftsprache und die Sprachplanung zur Geltung brachten, womit sie die Präzisierung und Modernisierung der Schriftnorm ermöglichten. Die wichtigsten Leistungen neuerer Zeit sind das akademische Slovar slovenskega knjižnega jezika I–V (Bajec et al. 1970-1991) und die neue, umfangreiche Slovenska slovnica (Toporišič 1976). Beide Werke kodifizieren nicht eine idealisierte Sprachnorm der Wortkunst, sondern schöpfen aus der Norm, wie sie in schriftlichen und gesprochenen Texten verschiedenster Art realisiert wurde. Weil besonders das Wörterbuch eher auf den Informationswert als auf Präskription setzt, wandten die Sprachpraktiker (Übersetzer, Lektoren u. a.), die eindeutigere Vorschriften gewohnt waren, auch Antibarbari und sprachliche Ratgeber an; an ihnen entfachten sich mehrfach polemische Diskussionen über Purismus und Antipurismus.

Die Unzufriedenheit der Öffentlichkeit mit dem Zustand des Slowenischen wurde immer größer. Als die Kritik an den hermetischen politischen Texten und der preziösen Terminologie des selbstverwalteten Sozialismus (z. B. organizacija združenega dela ‘Organisation der assoziierten Arbeit’ vs. podjetje ‘Unternehmen’; individualni kmetijski proizvajalec ‘individueller Landarbeiter’ vs. kmet ‘Landwirt’; pluralizem samoupravnih interesov ‘Pluralismus von Selbstverwaltungsinteressen’ vs. omejena demokracija ‘begrenzte Demokratie’) hinzukam, konnte die slowenische politische Führung die Forderungen nach einer aktiveren Haltung nicht länger ignorieren und gründete 1980 im Rahmen der Sozialistischen Arbeiterunion Sloweniens (Socialistična zveza delovnega ljudstva/SZDL) den Svet za slovenščino v javnosti (Rat für die slowenische Sprache in der Öffentlichkeit). In dieser zentralen Harmonisierungsinstanz der Sprachpolitik fassten Linguisten, Vertreter des Društvo slovenskia pisateljev (Verein slowenischer Schriftsteller), der Wirtschaftskammer und anderer Institutionen zusammen mit den Politikern Erklärungen zu den akuten sprachpolitischen Fragen und konkreten Beispielen der sprachlichen Kulturlosigkeit ab. Diese Erklärungen hatten keine Rechtsgeltung, aber durch ihre fachliche Argumentation und moralpolitische Autorität halfen sie dabei, in den gegebenen Verhältnissen eine Sensibilität für Sprachgleichberechtigung und Sprachkultur zu stärken. Als 1988 vor dem Militärgericht in Ljubljana gegen eine Gruppe slowenischer Zivilisten geurteilt wurde und das Gericht dabei das Serbokroatische benutzte, reifte die Ansicht, dass es im Rahmen des jugoslawischen Staates keine weitere Perspektive für die Erhaltung der slowenischen Sprachindividualität mehr gebe; dies war eines der ausschlaggebenden Argumente für die Ausschreibung der Volksabstimmung, bei der sich im Jahr 1990 eine überzeugende Mehrheit der Bevölkerung für die staatspolitische Verselbständigung Sloweniens aussprach.

Im neuen Staat Slowenien hat sich das Slowenische sofort auch in den früher beinahe tabuisierten Bereichen (Militär, Zollbehörde, Staatsprotokoll) durchgesetzt und sein Gebrauch dehnt sich laufend auf weitere Gebiete aus, die sich mit den neuesten gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen erschließen.Ungeachtet dieser positiven Entwicklung ist die Gefährdung des Slowenischen in der öffentlichen Kommunikation noch nicht völlig zu Ende. Der vom Serbokroatischen ausgeübte Druck wurde während der Übergangszeit (nach dem Verfall des Kommunismus) vom Druck durch das Englische abgelöst; dabei setzten sich statt ideologisch-politischer Parolen des „proletarischen Internationalismus“ Begründungen mit den gleichermaßen ideologisierten Begriffen „Globalisierung“, „Marktlogik“, „Multikulturalismus“ usw. durch. Es stellt sich auch heraus, dass die sprachliche Loyalität slowenischer Staatsbürger nicht selbstverständlich ist, dass die Empfehlungen der Sprachwissenschaftler ohne ausreichende Wirkung bleiben und die Gesetzesvorschriften der Republik Slowenien bei der Bestimmung des öffentlichen Sprachgebrauches erhebliche Mängel aufweisen. Deshalb tragen sich viele Unternehmen mit englischem Namen ein oder wenden sich mit ihren Werbeaktivitäten und Informationshinweisen nur in Fremdsprachen an die Verbraucher; der Anrufbeantworter des nationalen Fernsehens meldet sich nur auf Englisch; für die Karriereförderung in Universitäten und Instituten haben laut amtlich beschlossenen Maßstäben die Veröffentlichungen von Abhandlungen in Fremdsprachen größeren Wert bei der Beurteilung der wissenschaftlichen Leistung. Deshalb verzichten slowenische Wissenschaftler oft auf ihre slowenischen Veröffentlichungen und in Ljubljana wurde sogar ein englischsprachiges Magazin gegründet, das sowohl von Slowenen verfasst als auch gelesen (und vom slowenischen Staat mitfinanziert) wird.

Aufgrund dieser sich verschlechternden Sprachsituation werden viele Proteste angesehener Einzelpersonen und Organisationen der Zivilgesellschaft laut, sogar die Slowenische Akademie der Wissenschaften und Künste verfasste 1993 eine Erklärung, worauf die Staatsorgane aber sehr zögerlich reagieren. Eine zentrale Instanz zur dauerhaften Harmonisierung der Sprachpolitik gründete der Staat auch nach Einführung der parteipolitisch-parlamentarischen Demokratie und dem Erreichen der Selbständigkeit nicht. Institutionalisierte Betreuer der Sprachpolitik in Slowenien wurden nur schritt- und teilweise organisiert. Auf Initiative des Slawistischen Vereins existiert seit 1994 beim Parlamentsausschuss für Kultur, Schulwesen und Wissenschaft eine Arbeitsgruppe für das Gebiet der Sprachplanung und der Sprachpolitik. Im Rahmen des Schulministeriums ist seit 1999 der Svet za tuje jezike (Rat für Fremdsprachen) tätig. Im November 2000 hat die Regierung nach dem Vorbild der skandinavischen Staaten, den Beschluss zur Gründung des Urad za slovenski jezik (Amt für die slowenische Sprache) gefasst; ihm wurde die Rolle der Verbindung, Beratung und Förderung beim Konzipieren und Durchsetzen einer aktiven Sprachpolitik zugewiesen.

Die Bemühungen um die Übereinstimmung von Texten mit der Schriftsprachennorm des Slowenischen finden heute vor allem in der Schule statt, außerhalb der Schule aber auch in Form von Sprachkritik und Empfehlungen in den Medien (Sprachecken in Presse, Rundfunk, Fernsehen und Internet), in der Tätigkeit der Korrektoren, in der Vorbereitung oder im Nachdrucken von sprachlichen Ratgebern und spezialisierten sprachlichen Handbüchern. Besonders wichtig sind auch das Erkennen und die Entwicklung neuer Ausdrucksmöglichkeiten in der Kunst- und Wissenschaftssprache (terminologische Wörterbücher, z. B. Medizin-, Computer-, Rechts-, Technik-, Musik-, Militärwörterbuch); es zeigt sich ein großer Bedarf an einer populären Bearbeitung des allgemeinen Grammatik- und Rechtschreibhandbuches. Als häufigste Schwierigkeiten oder Normverletzungen werden dabei neben dem Gebrauch unnötiger englischer Wörter einige duale Formen der Deklination, die Valenzkontamination, einige Ausspracheregeln und Besonderheiten in der Rechtschreibung (wie die Zusammen- und Getrenntschreibung von Komposita) erwähnt. Die Norm der Umgangsprache (pogovorni jezik) ist immer noch ziemlich unbeständig (Abneigung gegenüber dem Laibacher Substandard als allgemeingültigem Modell im Fernsehen). Mit der Einführung moderner Kommunikationstechnologien wird erneut die slowenische Buchstabenschrift (č, š, ž) problematisiert und bei der Durchsetzung parlamentarischer Demokratie und der Marktökonomie die Unterentwicklung von pragmalinguistischen Modellen des Verhandlungsdialogs festgestellt.