AllgemeinesIn den 1990er Jahren gab es nach dem Fall der Sowjetmacht und der sich anschließenden administrativen Dezentralisierung wieder Freiraum für die Etablierung einer südestnischen Schriftsprache mit eigener Orthographie, die sich auf den südöstlichen Võru-Dialekt gründende Võro-Seto kiil´. In den einschlägigen Publikationen der 1. Hälfte der 1990er Jahre verwendete man unterschiedliche Schreibungen, je nach Vermögen, Sprachauffassung oder mundartlichem Hintergrund. Seit 1995 ist die Rechtschreibung normiert und wird seitdem in Kalendern, Schul- und Lesebüchern verwendet. Koordiniert und vorangetrieben werden die diesbezüglichen Unterfangen vom 1995 gegründeten Võro-Instituut´, das die Herausgabe eines Wörterbuchs Estnisch – Võro-Estnisch und einer normativen Grammatik plant.Es gibt eine Anzahl literarischer Werke (vor allem Lyrik), aber die Sprache wird auch für wissenschaftliche Zwecke (bislang nur in Resümees) und in lokalen Radiosendungen verwendet. Die Lebenskraft dieser Schriftsprache wird sich bei einem potentiellen Benutzerkreis von etwa 80 000 (dies ist die Einwohnerzahl der Region) erst noch erweisen müssen. Mit Sprachbestimmungen war die Frage des Umgangs mit dem Erbe der Sowjetunion, mit dem nichtestnischsprachigen Drittel der Bevölkerung, fest verbunden. Als Problem erwies sich nur die größte Minoritätsgruppe, die der Russen, die aufgrund ihres Selbstverständnisses (privilegierter Status in der Sowjetunion) keinen unmittelbaren Anlass sah, sich die neue Staatssprache anzueignen, zumal sie auf ein relativ dichtes Netzwerk an russischsprachigen Institutionen (einschließlich Schulen) und Geschäften zurückgreifen konnte. Eine generelle Einbürgerung dieses als Okkupanten empfundenen Bevölkerungsteils kam nicht in Frage. Eine wesentliche Rolle kam so der Sprache bzw. der Sprachbeherrschung zu; da das Grundgesetz das Estnische als offizielle Sprache vorschrieb, konnte der Staat auf bestimmte Kenntnisse des Estnischen nicht verzichten, zumal sie auch von anderen Minoritäten verlangt wurden. Die estnische Sprachpolitik zielte im Wesentlichen auf die Stärkung der estnischen Sprache ab. |